Steinmeier behält Doktortitel
Gießen (dpa) - SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier darf seinen Doktortitel behalten. Die Universität Gießen stellte bei der Überprüfung seiner Dissertation weder eine Täuschungsabsicht noch ein wissenschaftliches Fehlverhalten fest, wie die Hochschule bekanntgab.
Die Prüfer entdeckten zwar handwerkliche Schwächen wie Zitierfehler. Die Arbeit sei aber „originär Steinmeier“, sagte der Vorsitzende der zuständigen Untersuchungskommission, Wolf-Dietrich Walker. „Die Dissertation stellt in ihrem inhaltlichen Kern, der die eigentliche wissenschaftliche Leistung enthält, kein Plagiat dar.“
Die hessische Universität hatte Ende September auch auf Bitten Steinmeiers mit der Überprüfung der Doktorarbeit zum Thema „Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit“ begonnen.
Auslöser war ein Bericht des Magazins „Focus“, das unter Berufung auf den Dortmunder Wirtschaftswissenschaftler Uwe Kamenz von „umfangreichen Plagiatsindizien“ geschrieben hatte. Der Fachhochschul-Professor setzt für die Plagiatjagd eine Computer-Software ein, die aber umstritten ist. Steinmeier hatte die Vorwürfe als „absurd“ zurückgewiesen.
Die Hochschule nahm die Dissertation aus dem Jahr 1991, den Bericht von Kamenz zu angeblichen Plagiatstellen sowie Angaben der Internetplattform „VroniPlag“ unter die Lupe. Außerdem wurden mehrere Stellungnahmen, auch von Steinmeier selbst, einbezogen.
Die Prüfer stießen der Uni zufolge teilweise auf Fehler beim Zitieren. Es gehe um Passagen, die Steinmeier bereits zuvor veröffentlicht habe und die er in seiner Dissertation nicht an jeder Stelle explizit ausweise. Das sei aber keine Täuschung, denn der SPD-Politiker „maße sich keine Urheberschaft für fremde Texte an, sondern er gebe schlicht ältere eigene Gedanken und Texte wieder“. Soweit von diesen Stellen ein Co-Autor betroffen sei, könne ebenfalls nicht von einer Täuschungsabsicht ausgegangen werden, da dieser an mehreren Stellen ausdrücklich erwähnt werde.
Außerdem entdeckten die Prüfer Passagen, in denen Steinmeier zwar fremde Texte in den Fußnoten aufführt, diese aber teilweise falsch setzt. Hier geht die Universität aber von Versehen aus.
Mit Steinmeier ist zum ersten Mal ein SPD-Spitzenpolitiker mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert worden. Dem früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der Vizepräsidentin des Europaparlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP) und Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) wurden die Doktortitel aberkannt. Schavan klagt dagegen. Die Ruhr-Universität Bochum überprüft derzeit zudem die Dissertation von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).