Tauziehen um Snowden: Opposition stellt die SPD auf die Probe
Die Sozialdemokraten sollen in Bredouille gebracht werden. Antrag im Bundestag auf Aufnahme Snowdens ist geplant.
Berlin. Das Tauziehen um den Enthüller der US-Späh-Aktivitäten, Edward Snowden, wird in Deutschland immer mehr zu einem Machtspiel zwischen den Oppositionsparteien Linke und Grüne auf der einen Seite und der großen Koalition aus Union und SPD auf der anderen Seite.
Obwohl ein Untersuchungsausschuss noch gar nicht gebildet ist, formieren sich bereits die Fronten über die Frage, ob, wie und wo der nach Moskau ins vorläufige Exil geflohene frühere amerikanische Geheimdienstmitarbeiter als Zeuge vernommen werden kann — und ob Deutschland ihm dauerhaften Schutz gegen ein amerikanisches Auslieferungsbegehren gewähren soll.
Linken-Parteichef Bernd Riexinger brachte den Stein am Montag ins Rollen: Er dachte laut über einen Antrag seiner Fraktion im Bundestag nach, Snowden einen sicheren Aufenthalt in Deutschland zu gewähren, damit er hier auftreten kann.
„Drei von vier Parteien sind dafür“, so Riexinger. Erwogen wird, einen solchen Antrag zur Sondersitzung des Bundestages am 18. November einzubringen, in der das Thema NSA-Ausspähung auf der Tagesordnung steht.
Was die Grünen angeht, so stimmt Riexingers Rechnung. Auch sie sprachen sich am Montag erneut dafür aus, Snowden in Deutschland zu beherbergen. „Er ist alles andere als ein Verbrecher und hat einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland verdient“, sagte Ex-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Ähnlich äußerte sich Parteichefin Simone Peter. Die dritte Partei jedoch, die Riexinger im Auge hat und für eine Mehrheit braucht, ist die SPD. Dort ist die Haltung keineswegs eindeutig.
Riexingers Vorstoß zielt freilich auch darauf, die Sozialdemokraten im Bundestag in Verlegenheit zu bringen. Müssten sie sich doch dann entscheiden, ob sie mit der Opposition stimmen oder mit ihrem künftigen Regierungspartner CDU/CSU. Entsprechend verhalten fiel die Reaktion der SPD aus.
Eine Vernehmung Snowdens in Deutschland sei „natürlich“ nicht ausgeschlossen, sagte ihr Chef-Innenpolitiker Thomas Oppermann. Doch müsse man neben dem Interesse an einer humanitären Lösung für den 30-jährigen Ex-NSA-Mitarbeiter auch darauf achten, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen intakt blieben. Und die sind, das meinte auch Regierungssprecher Steffen Seibert, „von überragender Bedeutung“.
An Seiberts Aussage wurde deutlich, dass die Kanzlerin wegen der Affäre keinen Bruch mit Washington will. Allerdings wollen sich Union und SPD auch nicht komplett von Snowden distanzieren. Beide sehen einen Ausweg derzeit offenbar darin, Snowden in Moskau zu vernehmen. „Wenn das in Moskau möglich ist, kann man das schnell machen“, sagte Oppermann.
Fraglich ist jedoch, ob der Zeuge das will. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele hatte letzte Woche nach seinem Gespräch mit Snowden gesagt, der Amerikaner habe dagegen starke Vorbehalte, ohne diese freilich zu nennen.