Steuerstreit entzweit Regierung und Opposition weiter
Berlin (dpa) - In der Auseinandersetzung um die von Schwarz-Gelb geplanten Steuerentlastungen verhärten sich die Fronten zwischen Bundesregierung und Opposition immer mehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich am Dienstag in Berlin dennoch optimistisch.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der die SPD-geführten Länder koordiniert, bekräftigte in der Zeitung „Die Welt“ (Dienstag): „Wir werden den Vorschlag der Koalition im Bundesrat in jedem Fall ablehnen, auch wenn der Bund mit Gegenleistungen locken sollte.“
Ungeachtet dessen sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern in einer Unionsfraktionssitzung: „Wir können ruhig durch die politischen Wirrungen dieses Themas steuern.“ Mit Blick auf die Ankündigung von SPD-Chef Sigmar Gabriel, gegen die Entlastungspläne möglicherweise vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, sagte sie: „Herr Gabriel muss aufpassen, bevor er uns verklagt, dass wir ihn nicht verklagen.“ Die Anpassung des steuerlichen Existenzminimums sei verfassungsrechtlich gefordert.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) zeigte sich sicher, „dass die SPD im Bundesrat das, was gesetzlich notwendig ist, mitmachen wird“. Der SPD werde es sehr schwer fallen, zu erklären, warum sie untere und mittlere Einkommen nicht entlasten wolle. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die SPD-Länder die vom Verfassungsgericht angemahnte Anpassung des Freibetrags verweigern werden.“ Im Bundesrat ist die Koalition auf Stimmen der oppositionsgeführten Länder angewiesen.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hielt den Sozialdemokraten vor: „Nur wenn es in die Parteitaktik passt, dann entdecken SPD und Grüne plötzlich das Sparen. Ansonsten macht Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen und anderswo Schulden, bis die Verfassungsgerichte jaulen.“ CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe argumentierte: „Die SPD macht erneut den Lafontaine. Sie will den Bundesrat als verlängerten Arm der SPD-Parteizentrale missbrauchen.“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wertete die Koalitionspläne als Betrug. Vor den SPD-Abgeordneten sagte er, die Behauptung von Union und FDP, die Senkungen würden vor allem kleinen und mittleren Einkommen zugutekommen, sei nachweislich falsch. „Tatsache ist: Sie haben lächerlich geringe Wirkungen für Menschen, die ein geringes Einkommen haben.“ Wer den Spitzensteuersatz erreiche, profitiere weit mehr davon.
Die CSU lehnt weitere Zugeständnisse des Bundes an die Länder ab, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, der dpa sagte. „Wir haben ein Angebot vorgelegt: Zwei Milliarden Euro für die kalte Progression wird der Bund alleine bezahlen. Das ist ein sehr großzügiges Angebot und die Länder wären gut beraten, dieses Angebot anzunehmen.“
SPD-Fraktionsvize Hubert Heil hielt dem entgegen: „Ich bin sicher, dass man sozialdemokratische Ministerpräsidenten weder kaufen noch mieten kann.“ Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte: „Ich sehe nicht, dass dort wo Grüne an Landesregierungen beteiligt sind, jemand für diesen "Steuermurks" die Hand heben wird. Dort wird es noch herbe Debatten geben.“
Nach den am Wochenende getroffenen Koalitionsbeschlüssen könnten Durchschnittsverdiener von 2014 an um etwa 20 bis 25 Euro im Monat entlastet werden. Die geplante zweistufige Steuerentlastung 2013 und 2014 soll den Staat sechs Milliarden Euro kosten - 2013 zunächst zwei Milliarden und 2014 weitere vier Milliarden Euro.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), schöpfte nach dem Kompromiss von Sonntagabend bei Steuern, Pflege, Betreuungsgeld und Verkehrsinfrastruktur neue Hoffnung, dass in der Koalition Frieden einkehre: „Die Koalition ist so geschlossen wie sie es lange nicht mehr war.“