Tillich warnt vor „bürgerlichem“ Rechtsextremismus
Dresden (dpa) - Deutschland muss nach Ansicht des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) auf neue Formen des Rechtsextremismus reagieren. Hinter einer bürgerlichen Fassade versuchten Neonazis, in Vereinen Fuß zu fassen und dort ihre menschenverachtenden Ideologien an den Mann zu bringen.
„Die geben Nachhilfe oder kümmern sich anderweitig um Belange der Leute. Wir wissen, dass sie da sind. Sie sind in ganz verschiedenen Formen unterwegs“, sagte Tillich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Fanszene von Fußballclubs sei genauso betroffen wie die freiwillige Feuerwehr oder der Sportverein.
„Es war am Anfang wohl so, dass man glaubte, das ist eine regionale Erscheinung, das kommt und geht wieder. Mit Sicherheit hat man das auch unterschätzt“, räumte Tillich ein. Heute träten Rechtsextremisten rhetorisch geschult auf. „Ihre Reden gehen haarscharf am völkischen Duktus der Nationalsozialisten vorbei. Sie versuchen Grenzen auszuloten. Man muss sich ihnen stellen, sie entlarven und klar sagen, dass ihre Argumentationen völkisch, rassistisch und fremdenfeindlich sind.“
Nach den Worten Tillichs muss nicht nur die Polizei für die neuen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus geschult werden. Gleiches gelte auch für jene, die sich in Vereinen oder Institutionen um Kinder und Jugendliche kümmern. „Man muss die Leute, die alltäglich mit der Jugend zu tun haben, auch in die Lage versetzen, solche Tendenzen zu erkennen und darauf reagieren zu können“, sagte Tillich. Neben der Zivilgesellschaft sei auch der Staat in der Verantwortung. Sachsen erhöhe den Repressionsdruck und habe dafür ein Operatives Abwehrzentrum eingerichtet. „Wir müssen die Schlagkraft erhöhen und die Sensibilität innerhalb der Polizei verbessern.“
Ein von den Ländern angestrebtes NPD-Verbot beseitige rechtsextremes Gedankengut zwar nicht, sagte Tillich. Es könne den Rechtsextremen aber den finanziellen Boden entziehen. Anders als noch vor 10 Jahren finanzierten sie sich heute durch ihre Präsenz in Parlamenten hauptsächlich aus Steuergeldern. Tillich sieht gute Chancen, dass es anders als 2003 dieses Mal mit einem Verbot klappt. Bei ihrer Urteilsfindung seien die Verfassungsrichter auch an die bisherige europäische Rechtsprechung gebunden. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus seien auch im europäischen Kontext geächtet.