Überraschende Einigung: Koalition kippt Web-Sperren
Berlin (dpa) - Der lange Streit um die Sperren gegen Kinderpornos im Internet ist beendet: Die schwarz-gelbe Koalition einigte sich darauf, die Seiten nicht zu sperren, sondern sie zu löschen. Dies ist ein - überraschendes - Ergebnis des Treffens der Koalitionsspitzen von Union und FDP am Dienstagabend im Kanzleramt.
INTERNET-SPERREN: Ein von der schwarz-roten Vorgängerregierung beschlossenes Gesetz sah vor, Kinderpornos im Netz zu sperren. Dagegen liefen viele Internetnutzer Sturm, weil sie den Aufbau einer staatlichen Zensur-Infrastruktur fürchteten. Union und FDP setzten das Gesetz bereits 2009 aus und vereinbarten, ein Jahr lang das Löschen zu testen. Ergebnis: Das Löschen funktioniert, auch wenn es nicht einfach ist. Somit will die Koalition die Sperren nun nicht anwenden. Die FDP verbucht dies als Erfolg für sich.
VISA-WARNDATEI: Die Union bekommt dafür die seit langem von ihr geforderte Visa-Warndatei. Darin werden Einlader und Antragsteller erfasst, die mit Straftaten auffielen, die für die Visa-Erteilung relevant sind - zum Beispiel Menschenhandel. Bei Terror-Verdacht sollen die Daten mit der Anti-Terror-Datei abgeglichen werden, um zu sehen, ob mögliche Terroristen zu den Antragstellern oder Einladern gehören. Dies geschieht, wenn ein konkreter Anhaltspunkt vorliegt und jemand beispielsweise mit extremistischen Ansichten aufgefallen ist.
ARBEITSMARKT: Die Spitzen von Union und FDP sind sich einig, dass die Förderprogramme für Arbeitslose effizienter werden sollen. Die Zahl der arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumente wird von derzeit 42 auf 31 verringert. Das Ziel besteht darin, Arbeitslose schneller wieder fit zu machen für den Arbeitsmarkt. Die Eckpunkte werden nun zwischen den Ressorts abgestimmt. Im Mai soll das Kabinett die Reform beschließen. Im ersten Jahr sollen 2,5 Milliarden Euro gespart werden, in den folgenden Jahren 3 Milliarden.
ENERGIEPOLITIK: Bis zum 15. April soll ein gemeinsames Eckpunktepapier des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums zur Beschleunigung der Energiewende vorliegen und allen Ministerpräsidenten und Bundestagsfraktionen zugeleitet werden. Im Juni sollen die rechtlichen Konsequenzen der laufenden Beratungen geprüft werden. Dann geht es um die Frage, ob und in welchem Umfang es Änderungen am Atomgesetz geben muss. Ziel sei, bis 15. Juni eine Rechtsverordnung zu schaffen. Am 15. Juni läuft das dreimonatige Atom-Moratorium ab.
SICHERHEITSGESETZE: 2012 verfallen eigentlich alle Anti-Terrorgesetze, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassen wurden. Die Koalition will die Gesetze verlängern - über Details ist man sich aber noch nicht einig. Im Koalitionsausschuss hieß es, man wolle die entsprechenden Beschlüsse noch vor der Sommerpause fassen.
PFLEGEREFORM: Die Spitzen der Koalition haben den Zeitplan der Reform der Pflegeversicherung diskutiert. Im Juni oder Anfang Juli soll ein Eckpunktepapier vorgelegt werden. Dabei geht es um die Weiterentwicklung des Pflegebegriffes und die Finanzierung der Leistungen. Offen ist weiterhin, ob die Beiträge steigen. Bei der nächsten Sitzung der Koalitionsrunde soll der zuständige Fachminister und designierte FDP-Chef Philipp Rösler dabei sein.