Uni überprüft nach Plagiatsvorwurf Lammerts Doktorarbeit
Berlin (dpa) - Bei den Plagiatsvorwürfen gegen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ist nun die Wissenschaft am Zug: Die Ruhr-Universität Bochum prüft seine vor knapp 40 Jahren verfasste Doktorarbeit.
Rektor Elmar Weiler versprach am Dienstag eine zügige und professionelle Klärung der Vorwürfe. Ein anonymer Blogger wirft Lammert eine Reihe Unregelmäßigkeiten in seiner Arbeit vor. Politiker aller Parteien mahnten, keine Vorverurteilungen zu treffen.
Nach Angaben der Universität hatte Weiler am Montag einen Anruf Lammerts erhalten, der von den Vorwürfen im Zusammenhang mit seiner Dissertation berichtet und um die Prüfung gebeten habe. „Bis zu diesem Anruf hat die Uni nichts von den Vorwürfen gewusst“, sagte eine Sprecherin. Lammert hat nach Angaben der Universität seit 2008 eine Honorarprofessur in Bochum inne.
Unter dem Pseudonym des Plagiatsjägers der zurückgetretenen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wirft der anonymer Blogger „Robert Schmidt“ Lammert vor, Quellen nicht korrekt angegeben zu haben. „Einen erheblichen Teil der als verwendet angegebenen Literatur hat er ganz offenbar nicht gelesen; dies wird insbesondere anhand der Übernahme zahlreicher charakteristischer Fehler aus der Sekundärliteratur deutlich“, schreibt der Blogger auf der Internetseite lammertplag.wordpress.com.
Der Tageszeitung „Welt“ (Dienstag) schrieb der Netz-Aktivist in einer E-Mail: „An vielen Stellen der Arbeit wird eine gedankliche Eigenarbeit nur suggeriert.“ Lammert hatte die Dissertation mit dem Titel „Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung - Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet“ 1974 in Bochum eingereicht, 1975 promovierte er.
Der Bundestagspräsident äußerte sich am Dienstag nicht, veröffentlichte aber die Dissertation auf seiner Homepage. Er will seinen nächsten öffentlichen Termin am 6. August in Bochum bei einer Wahlkampfveranstaltung wahrnehmen, gemeinsam mit Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), wie es aus seinem Berliner Büro hieß. Lammert, der auch Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU ist, hatte der dpa am Montagabend auf Anfrage ausrichten lassen, er habe „seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und sei von ihrer wissenschaftlichen Qualität überzeugt“.
Plagiatsvorwürfe haben bereits eine ganze Reihe von Politikern zu Fall gebracht - etwa den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Silvana Koch-Mehrin (FDP), und Schavan. Schavan klagt gegen den Entzug ihres Doktortitels.
Politiker aller Fraktionen warnten im Fall Lammert vor übereilten Urteilen: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, Lammert genieße seinen vollen Respekt. „Es gilt die Unschuldsvermutung. Ich warne davor, wieder in eine Kommentarlage zu verfallen, die die Reputation und Integrität des Bundestagspräsidenten beschädigen kann“, sagte Steinbrück. Er werde sich dafür einsetzen, dass dies unterbleibe.
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach äußerte sich in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Ich kann mir gut vorstellen, wie belastend die Vorwürfe für Norbert Lammert gerade mitten im Bundestagswahlkampf sind.“ Er hoffe daher, dass die Attacken sich rasch als haltlos erwiesen. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, monierte in der „Welt“ die Anonymität des Bloggers: „Ich halte es für nicht mehr erträglich, dass immer wieder anonym Vorwürfe im Netz erhoben werden.“ Wer meine, etwas zu sagen zu haben, solle dies mit „Gesicht und Namen“ tun.
Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, riet in der „Saarbrücker Zeitung“ ebenfalls abzuwarten. Erst müsse der Sachverhalt geklärt werden. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) mahnte in der „Welt“ vorerst Zurückhaltung an und lobte Lammert: Er streite für die Rechte des Bundestags, wenn andere sich vorbeimogeln wollten.