Union über FDP-Krise besorgt
Berlin (dpa) - Die Krise beim Koalitionspartner FDP lässt in der Union die Sorgen vor einer Schwächung der gesamten scharz-gelben Bundesregierung wachsen. CSU-Chef Horst Seehofer warnte davor, sich von der Schwäche des liberalen Koalitionspartners „infizieren“ zu lassen.
Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte: „Schwierigkeiten eines Partners tun einer Koalition nicht gut.“ Am Samstag kamen in mehreren Bundesländern FDP-Parteitage zusammen, um die desaströsen Wahlniederlagen der vergangenen Wochen aufzuarbeiten. Es zeichneten sich auch weitere personelle Veränderungen an der Parteispitze ab. Entwicklungsminister Dirk Niebel soll nach dem Willen der baden-württembergischen FDP-Führung beim Bundesparteitag in Rostock Mitte Mai anstelle von Birgit Homburger für das Präsidium der Bundes-FDP kandidieren. Die Zukunft der umstrittenen baden-württembergischen Landesvorsitzenden Homburger als Chefin der FDP-Bundestagsfraktion gilt nach Informationen aus Parteikreisen als gesichert.
Der künftige FDP-Parteichef Philipp Rösler kündigte beim Landesparteitag der niedersächsischen FDP in Braunschweig eine breite personelle Erneuerung der FDP-Führung an. Er bekräftigte zudem seinen Anspruch, als Vizekanzler den Kurs der Liberalen in der Bundesregierung bestimmen zu wollen.
Auf die Frage, wie es mit Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle weitergehe, sagte er nur, er werde bis zum Parteitag im Mai ein Konzept vorstellen. Brüderle selbst ließ in der „Bild am Sonntag“ Interesse an einer erneuten Kandidatur als Parteivize durchblicken. „Wir brauchen in der Parteiführung eine gute Mischung aus jungen Talenten und erfahrenen Politikern“, sagte er. Mehrere bayerische Liberale verlangten auf einem Landesparteitag in Amberg sowohl den Rücktritt von Wirtschaftsminister Brüderle als auch von Fraktionschefin Homburger.
Seehofer sagte der „Süddeutschen Zeitung“, es müsse vermieden werden, dass die Schwäche der FDP die Union belaste. „Im Moment habe ich diese Befürchtung nicht. Aber es wäre ein schwieriger Moment, wenn eine Infektionsgefahr auftreten würde“, sagte Seehofer. „Das wäre ein Punkt, an dem man schon nachdenken müsste“, fügte er hinzu, ohne ein mögliches Scheitern der Koalition direkt anzusprechen.
Rösler reagierte auf die Äußerungen gelassen. „Ich sehe das ganz entspannt“, sagte er in Braunschweig. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger konterte auf einem Landesparteitag der bayerischen FDP in Amberg: „Wir wollen weiter den Freiheitsvirus in die Koalition bringen - und wir wollen, dass Herr Seehofer damit infiziert wird.“ Niedersachsens FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode forderte Seehofer auf, sich zu entschuldigen. „Das ist nicht der Stil, in dem man in der Koalition miteinander redet“, sagte er der dpa.
CDU-Generalsekretär Gröhe sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag), er hoffe, dass die Neuaufstellung der FDP zum Erfolg führen werde. Besorgt zeigte er sich angesichts der jüngsten Meinungsumfragen, die einen weiten Vorsprung von Rot-Grün gegenüber Schwarz-Gelb sehen. „Das nehmen wir sehr ernst“, sagte er. Auch die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht die FDP in einer „sehr, sehr schwierigen Phase“, wie sie dem Sender SWR sagte.
Bei der Wahl des neuen Vorsitzenden der baden-württembergischen FDP wird es eine Kampfkandidatur geben: Landesvize Michael Theurer will gegen die jetzige Parteichefin Homburger antreten. Dies kündigte er nach dpa-Informationen bei einem Treffen des FDP-Landesvorstands in Sindelfingen an. Die FDP hatte bei der Wahl am 27. März nur noch knapp den Einzug in das Landesparlament geschafft.
Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn rief seine Partei in Stadtallendorf zu Geschlossenheit auf. „Wir müssen wie eine Frau, wie ein Mann hinter Philipp Rösler stehen“, sagte er. Hahn wurde von den Delegierten wiedergewählt. Generalsekretär Christian Lindner verbat sich Ratschläge von anderen Parteien. Die Erneuerung der FDP müsse aus ihren eigenen Traditionen kommen. Bayerns FDP-Landeschefin Leutheusser-Schnarrenberger warnte in Amberg ihre Partei davor, angesichts der gegenwärtigen tiefen Krise der Liberalen in Schockstarre zu verfallen. Auch Leutheusser-Schnarrenberger wurde von dem Parteitag im Amt bestätigt.
Beim Bundesparteitag im Mai könnte es zu Kampfabstimmungen um die drei Stellvertreterposten kommen, wie die „Bild“-Zeitung (Samstag) und das Magazin „Focus“ berichteten. Als Bewerber im Gespräch sind demnach Leutheusser-Schnarrenberger, Hessens Landeschef Hahn, Nordrhein-Westfalens Landesvorsitzender Daniel Bahr sowie Brüderle. Laut „Focus“ könnten zudem die Europa-Politikerin Silvana Koch-Mehrin einen Vizeposten beanspruchen. Nach Ansicht von Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth sollten auch die Ost-Landesverbände erneut einen Vize-Posten beanspruchen. „Das hat sich bewährt und daran sollte festgehalten werden“, sagte Kurth am Samstag in Ilmenau.