Unmut über Wahlumfragen wächst
Berlin (dpa) - Stimmungsmache oder Stimmungsbild? Das Jonglieren mit Umfragezahlen sorgt für Nervosität und Unmut, je näher der Wahltag rückt.
Drei Monate vor der Bundestagswahl besteht zwischen der schwarz-gelben Koalition und der Opposition aus SPD, Grünen und Linken nach einer aktuellen Umfrage ein Patt. Auf die sogenannte Sonntagsfrage des ARD-„Deutschlandtrends“ votierten je 46 Prozent für die beiden Lager. Die Union kommt nach WDR-Angaben vom Freitag unverändert auf 41 Prozent der Stimmen, die FDP auf 5 Prozent (plus 1). Demgegenüber würden 25 Prozent der von Infratest dimap Befragten der SPD ihre Stimme geben (minus 1). Die Grünen erreichen 14 Prozent (minus 1), die Linke nach wie vor 7 Prozent.
Der Parteienforscher Jürgen Falter hält den Umgang der meisten Medien mit Wahlumfragen für „bewusst fahrlässig“. Kleine Veränderungen in den Ergebnissen der Sonntagsfragen würden viel zu oft als Sensationsergebnis verkauft, kritisierte der Mainzer Professor im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Am Mittwoch hatte eine Forsa-Umfrage für Aufsehen gesorgt, derzufolge die SPD nur noch auf 22 Prozent der Wählerstimmen käme. Die Umfrageergebnisse von Forsa weichen oft signifikant von denen anderer Institute ab und bilden vor allem die SPD im Vergleich deutlich schwächer ab. Im Willy-Brandt-Haus unterstellt man dem Institut seit längerem tendenziöse Zahlen. Auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier erhob jetzt diesen Vorwurf.
Falter meinte ebenfalls: „Forsa misst die SPD fast durchgehend deutlich niedriger.“ Allerdings liege das Ergebnis in der Regel immer noch innerhalb des Zufallsfehlers. Sprich: Unter Berücksichtigung der üblichen Fehlertoleranz von plus/minus 2,5 Prozentpunkten bei den Umfragewerten liegen die Ergebnisse gar nicht so weit auseinander. Forsa müsse sich aber schon die Frage stellen lassen, warum nur der Wert der SPD so stark abweiche.
Grundsätzlich bemängelte Falter, immer wieder werde in der Berichterstattung „aus einem Prozentpunkt ein Riesenballon gemacht, dabei stellt ein Prozentpunkt nie eine signifikante Veränderung dar“.
Wahlumfragen seien im übrigen auch Stimmungsbilder, keine Verhaltensprognosen - und zudem keine exakte Wissenschaft, warnte Falter. „Umfragen sind immer Kunsthandwerk: viel Handwerk, aber auch ein bisschen Kunst, Fingerspitzengefühl, Pi mal Daumen.“
Allerdings können Umfragen Trends aufzeigen und angesichts der derzeitigen Lage der SPD war damit zu rechnen, dass die Forsa-Umfrage für Unruhe sorgen würde.
Bei der Infratest dimap-Umfrage wurden am 18. und 19. Juni 1008 wahlberechtigte Bürger befragt. Die Fehlertoleranz liegt bei 1,4 Prozentpunkten (bei 5 Prozent Anteilswert) bis 3,1 Prozentpunkten (bei 50 Prozent Anteilswert).