Urteil zu Google: Vergessen im Netz muss möglich sein
Luxemburg (dpa) - Europas Bürger können im Internet ein Recht auf Vergessen einfordern. So können sie Google dazu verpflichten, Links zu unangenehmen Dingen aus ihrer Vergangenheit aus dem Netz verschwinden zu lassen.
Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg (Rechtssache C-131/12). Google müsse die Verweise aus seiner Ergebnisliste entfernen, wenn die dort nachzulesenden Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen.
Es geht dabei um Links zu Webseiten, die bei der Suche nach einem Namen bei Google auftauchen. Etwa Seiten, die von Dritten veröffentlicht wurden und sensible persönliche Daten zu einer Person enthalten. Google muss diese löschen, wenn seit der Veröffentlichung Jahre verstrichen sind oder die Informationen nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entsprechen, wie etwa bei einer Zwangsversteigerung.
Laut Gericht hat der Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Löschung. Komme Google dem nicht nach, könne sich der Betroffene an die Datenschutzbehörden wenden. Ausnahmen kann es laut Gericht bei Personen des öffentlichen Lebens geben, bei denen ein besonderes Interesse bestehe.
Aus der Politik kam Zustimmung für die Entscheidung. „Der EuGH hat dem Grundrecht auf Datenschutz erneut einen hohen Stellenwert eingeräumt“, erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff betonte: „Das Gericht stellt unmissverständlich klar, dass das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten uneingeschränkt auch für das Internet gilt.“
Aus der Internet-Branche kamen warnende stimmen. „Das Urteil erzeugt eine inkonsistente und widersprüchliche Rechtslage“, kritisierte der Geschäftsführer des IT-Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder. Einerseits solle die Presse- und Meinungsfreiheit gelten, zugleich würden die Prinzipien eines freiheitlichen Internets eingeschränkt. Dagegen begrüßte die Deutsche Telekom das Urteil: Es müsse grundsätzlich ein Recht auf Löschung der Daten im Internet geben.
Geklagt hatte ein Spanier, dessen Grundstück vor mehr als 15 Jahren zwangsversteigert wurde. Die amtliche Bekanntmachung über die Pfändung wurde 1998 in einer spanischen Zeitung und im Internet veröffentlicht. Der Betroffene wandte sich dagegen, dass Google bei der Eingabe seines Namens einen Link zu diesen Informationen anzeigt und forderte, den alten Artikel zu löschen. Die Pfändung sei erledigt und verdiene keine Erwähnung mehr.
Die Richter urteilten dabei nur über die Verweise, nicht aber über die Inhalte der Webseiten. Der Anspruch gelte auch dann, wenn diese rechtmäßig seien und die Informationen dort nicht gleichzeitig gelöscht würden.
Zur Begründung schreibt der EuGH, mit der Eingabe eines Namens bei einer Suchmaschine könne ein Nutzer „ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Personen erstellen“. Dies sei ein Eingriff in die Rechte der Person. Die Ergebnisse seien nichts anderes als eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Das EU-Recht verlange daher einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und denen der betroffenen Person. „Wegen seiner potenziellen Schwere kann ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden“, heißt es.
Experten gehen davon aus, dass Verbraucher Google nun mit einer Flut an Löschanfragen überschwemmen. „Das Urteil hat das Potenzial, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz zu beeinträchtigen“, schrieb Rechtsanwalt Thomas Stadler.
Google teilte zu dem Urteil mit: „Dies ist ein sehr enttäuschendes Urteil für Suchmaschinenbetreiber und Online-Verleger.“ Das Unternehmen hatte in dem Verfahren argumentiert, es sei laut EU-Datenschutzrichtlinie nicht verantwortlich dafür, dass personenbezogene Daten auf den jeweiligen Webseiten gemäß der Richtlinie verarbeitet werden. Google könne nicht einmal zwischen personenbezogenen und anderen Daten unterscheiden. Deshalb könne auch eine nationale Datenschutzbehörde die Suchmaschine nicht verpflichten, bestimmte Informationen aus ihrem Index zu entfernen.