In Niedersachsen und Bremen Verfassungsschutz beobachtet AfD-Jugend
Berlin/Bremen/Hannover (dpa) - Der gemeinsame Demonstrationszug von AfD und Pegida in Chemnitz gibt der Debatte über eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz neue Nahrung. Davon unabhängig nehmen der niedersächsische und der Bremer Verfassungsschutz jetzt den AfD-Nachwuchs ins Visier.
„Den entsprechenden Antrag habe ich heute früh unterschrieben“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Der Bremer Senat teilte am Montag mit, die Junge Alternative (JA) werde seit der vergangenen Woche beobachtet.
„Die Junge Alternative vertritt ein Weltbild, in dem Minderheiten wie Einwanderer, Asylbewerber und Muslime, politische Gegner und Homosexuelle pauschal abgewertet und diffamiert werden“ sagte Pistorius. Insgesamt zeige die JA eine repressive, autoritäre und anti-pluralistische Zielsetzung. Es gebe erhebliche ideologische und personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen Identitären Bewegung in Niedersachsen. Diese Organisation werde seit 2014 vom Verfassungsschutz beobachtet.
„Man kann und darf nicht länger wegschauen, nicht länger beschwichtigen und relativieren. Diese menschenverachtenden Aktivitäten müssen benannt werden, forderte Pistorius. Es ist dringend an der Zeit zu handeln.“ Bei der JA handele es sich um eine verfassungsfeindliche Organisation, betonte der Minister. Die Entscheidung habe nichts mit den Ereignissen in Chemnitz zu tun. Der Landeschef der Jugendorganisation der AfD Niedersachsen“, Lars Steinke, war im August abgesetzt worden, nachdem er Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg als Verräter bezeichnet hatte.
Der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative, Damian Lohr, erklärte: „Die Beobachtung ist nach unserer Überzeugung daher rechtswidrig, sie ist unbegründet und sie wird von uns mit allen rechtsstaatlichen Mitteln angefochten werden.“ Dennoch habe der Bundesvorstand am Montag die Einberufung eines außerordentlichen Bundeskongresses beschlossen, der über die Abgliederung der Landesverbände Bremen und Niedersachsen - was einer Auflösung gleichkäme - entscheiden solle. „Folgt die Organisation meinem Antrag auf Abgliederung dieser Landesverbände nicht, stehe ich als Vorsitzender der JA nicht mehr zur Verfügung“, kündigte Lohr an.
Parteivizechef Kay Gottschalk sagte: „Rechtsradikale Tendenzen sind in keinster Weise in der JA, noch in der AfD, zu dulden und müssen im Keim erstickt werden.“ Er fügte hinzu: „Sollte den Schiedsgerichten es nicht gelingen, solche Personen aus der JA zu entfernen, muss notfalls der JA der Status der offiziellen Jugendorganisation aberkannt werden.“
In Chemnitz hatte die AfD für den vergangenen Samstag zu einem „Schweigemarsch“ eingeladen, um an die Tötung eines 35-jährigen Deutschen zu erinnern. Als Tatverdächtige gelten zwei junge Araber. An der Kundgebung nahmen rund 8000 Menschen teil. Neben mehreren AfD-Landesvorsitzenden marschierten auch Vertreter des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses in der ersten Reihe mit.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, was man in Chemnitz neben berechtigter Sorge und Betroffenheit am vergangenen Wochenende auch gesehen habe, „diese Aufmärsche gewaltbereiter Rechtsextremisten und Neonazis, das hat ja mit Trauer um einen Menschen oder mit Sorge um eine Stadt, um ein Gemeinwesen, wirklich nicht das Geringste zu tun“.
Die AfD sei weder bürgerlich noch patriotisch, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg. „Das ist eine Partei, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden muss.“ Justizministerin Katarina Barley (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Teile der AfD agieren offen verfassungsfeindlich. Sie müssen wir behandeln wie andere Verfassungsfeinde auch und entsprechend beobachten lassen.“
„AfD, NPD, Hooligans - Seit' an Seit' sind sie marschiert“, kritisierte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf dem Volksfest mit Blick auf die Kundgebung am Wochenende. Als „heimlichen Führer der AfD“ bezeichnete Söder den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke.
In Wählerumfragen liegt die AfD zurzeit bei 16 bis 17 Prozent. Gleichzeitig ist eine Mehrheit der Deutschen laut einer repräsentativen Umfrage dafür, die Partei beobachten zu lassen. Auch aus den Reihen von CDU und Grünen kamen entsprechende Forderungen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) sieht aktuell jedoch keine Grundlage für eine flächendeckende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.
Die AfD-Spitze findet die ganze Debatte unverständlich. „Das ist absurd, denn wir sind eine demokratische Partei, die für einen starken Rechtsstaat eintritt“, heißt es in einer Erklärung von fünf AfD-Spitzenpolitikern, darunter die beiden Parteivorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen vom Montag. Die Parteispitze erklärte, bei den AfD-Veranstaltungen in der sächsischen Stadt habe es keine Gewalt gegeben. Meuthen und Gauland betonten gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel, und den beiden Vize-Parteichefs Gottschalk und Georg Pazderski: „Die AfD wehrt sich entschieden gegen Extremisten, die berechtigte Proteste dazu missbrauchen, um ihr demokratiefeindliches Weltbild kundzutun.“