Viele Rentner bekommen weniger als 700 Euro

Vor allem Frauen sind betroffen. Doch oftmals gibt es weitere Einnahmequellen.

Düsseldorf. Marianne K. (88) müsste es finanziell schlecht gehen. Gehört sie doch mit ihren 473 Euro Monatsrente zu denen, die eine große Boulevardzeitung gestern gewissermaßen zur Kronzeugin wachsender Altersarmut machte. Einer Altersarmut, die Hunderttausende von Rentnern zwinge, im Ruhestand als Minijobber etwas hinzuzuverdienen.

Die nackten Zahlen können in der Tat erschrecken. Laut der Deutschen Rentenversicherung erhielten im vergangenen Jahr 48,21 Prozent der Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrentner weniger als die 700 Euro, die Senioren im Schnitt als Grundsicherung zustehen. Bei Altersrentnerinnen im Westen liege der Anteil sogar bei 73 Prozent.

Die Münsteranerin Marianne K. ist eine von ihnen. Und doch: Es geht ihr alles andere als schlecht. Ihre Rente ist zwar gering, weil sie nur ein paar Jahre als Sekretärin und Arzthelferin rentenversichert arbeitete, im übrigen aber Hausfrau war und vier Kinder großzog. Da sie jedoch ein hübsches Vermögen von ihrem verstorbenen Mann erbte, hat sie jedenfalls keine Geldnot.

Auf eben solche Fälle weist auch Dirk von der Heide hin. Der Sprecher der Deutschen Rentenversicherung sagt: „Das häufige Vorkommen von Renten unter 700 Euro beruht zum erheblichen Anteil darauf, dass Versicherte nur kurze Zeit in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Hierzu zählen etwa Selbstständige, Hausfrauen und Beamte, die nur kurz rentenversicherungspflichtig gewesen sind.“

Dennoch nimmt der Sozialverband VdK die aktuelle Diskussion zum Anlass, vor zunehmender Altersarmut zu warnen und fordert die Rücknahme der Rentenreformen. Die Rentner hätten seit 2004 einen Kaufkraftverlust von neun Prozent verkraften müssen, erklärte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Damit sich das Altersarmutsproblem nicht weiter verschärfe, müsse die geplante Absenkung des Rentenniveaus von derzeit 51 auf 43 Prozent bis zum Jahr 2030 gestoppt werden: „Bei 50 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns muss Schluss sein.“

Dass wegen Niedriglöhnen, Zeitverträgen und Arbeitslosigkeit, aber auch infolge politischer Entscheidungen der Vergangenheit die Rentenhöhe weiter sinken wird, ist wohl Tatsache. Doch die Rentenhöhe allein gibt keine Auskunft über die Einkommenslage von Rentnerhaushalten.

Ein Gesamtbild der Einkommenslage, so von der Heide, vermittle der Alterssicherungsbericht 2012 der Bundesregierung. Daraus ergebe sich, dass geringe Rentenbeträge in der Regel durch das Einkommen des Ehepartners oder aus anderen sozialen Sicherungssystemen ausgeglichen werden. Nach der Studie liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Ehepaars im Westen bei über 2500 Euro, im Osten bei rund 2000 Euro. So beziehen derzeit rund zwei Prozent der Altersrentner über 65 Jahren neben ihrer Rente zusätzlich Grundsicherung im Alter, weil Rente und weitere Einkommen zusammen unter dem Grundsicherungsniveau liegen.

Andererseits gibt es auch diese Realität: Im Herbst 2012 zählte die Bundesagentur für Arbeit gut 812 000 Minijobber über 65 Jahren. 2003 waren es noch gut 595 000. Ulrike Mascher vom Sozialverband: „Wenn so viele Rentner einen Job ausüben, um ihre Alterseinkünfte aufzubessern, ist dies ein klarer Beleg, dass die Altersarmut weiter wächst.“