Volksfest Gillamoos Vom TV-Duell ins Bierzelt: Schulz setzt auf Attacke

Berlin/Abensberg (dpa) - Nach der verpassten Trendwende beim TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel setzt Herausforderer Martin Schulz im Endspurt zur Bundestagswahl nun verstärkt auf Angriff.

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Die Unionsführung warnt die eigenen Reihen vor Siegessicherheit. Und die kleinen Parteien versuchen mit dem Hinweis zu mobilisieren, dass Platz drei über die künftige Budnesregierung entscheiden könnte.

Beim Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg sagte Schulz vor Anhängern im Bierzelt: „Was gestern klar geworden ist: Es gibt jemanden, der will die Vergangenheit verwalten, der heißt Angela Merkel. Und es gibt jemanden, der will die Zukunft gestalten, und der heißt Martin Schulz.“ Er attackierte erneut den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und bekräftigte seine Forderung nach einem Stopp der EU-Beitrittsgespräche. „Irgendwann muss man dem auch mal sagen: Genug ist genug.“

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht im TV-Duell trotz enttäuschender Umfragen eine gute Ausgangsbasis für die letzten Wochen des Wahlkampfs. „Martin Schulz hat eindeutig gewonnen beim Thema soziale Gerechtigkeit, auch bei Bürgernähe“, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur. Darauf setze die SPD in den nächsten Tagen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der dpa, Schulz sei überzeugend und souverän gewesen. „Martin Schulz und der gesamten SPD wird das Duell Rückenwind geben.“

Der SPD-Vorsitzende hatte das einzige Fernsehduell am Sonntagabend laut Umfragen trotz größerer Angriffslust verloren. Angesichts von durchschnittlich 15 Prozentpunkten Rückstand auf die Union könnte die SPD nur noch mit einer rasanten Aufholjagd gewinnen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder drückte trotzdem auf die Euphoriebremse. Zwar gingen CDU und CSU nun mit großer Zuversicht in den Schlussspurt zur Wahl am 24. September. Im Gespräch mit dpa mahnte er: „Wir wissen aber auch: Die Wahl wird nicht in einem TV-Duell entschieden.“

Merkel kümmerte sich am Montag um ein weiteres wichtiges Thema im Wahlkampf: die Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase. Bei einem Treffen mit Vertretern von Städten und Ländern sagte sie 500 Millionen Euro zusätzlich zu, um Projekte in den Kommunen zu unterstützen. So sollen drohende Fahrverbote noch abgewendet werden. Der beim Dieselgipfel Anfang August aufgelegte Fonds soll damit eine Milliarde Euro umfassen. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) will die Autobranche stärker zur Kasse bitten. Sie könnten „durchaus mehr“ als die bisher zugesagten 250 Millionen Euro beitragen.

Schulz hatte im einzigen Duell vor der Wahl Merkel schwere Fehler in der Flüchtlingskrise vorgeworfen. Zudem hielt er ihr vor, sie wolle die Rente mit 70 einführen. Merkel widersprach jeweils energisch.

In Blitzumfragen von ARD und ZDF zum TV-Duell lag Merkel vorn. Allerdings waren die Zahlen des Instituts Infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen sehr unterschiedlich. Nach ARD-Angaben lag Merkel mit 55 zu 35 Prozent so weit vorn wie noch nie in ihren drei Duellen als Kanzlerin. Im ZDF war es viel knapper: Hier kam die Kanzlerin auf 32 Prozent Zustimmung, Schulz auf 29 Prozent.

Aus Sicht der Linken-Vorsitzenden Katja Kipping profitieren vor allem rechte Parteien von dem Schlagabtausch. „Die wirklichen Gewinner waren die Rechtspopulisten und die Kapitalseite“, sagte sie im ARD-„Morgenmagazin“. Themen, „die wirklich die Leute umtreiben, sind so gut wie gar nicht vorgekommen“. Linke-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch sprach von einem „großkoalitionären Therapiegespräch“. „Martin Schulz hat sich nicht von der Union abgesetzt.“

Die Grünen vermissten bei Schulz Ideen für die Zukunft. „Dass von Merkel keine Dynamik für Veränderung kommt, war zu erwarten, aber auch von Martin Schulz kamen keine Impulse für einen echten sozialen und ökologischen Wandel in diesen dramatischen Zeiten“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der dpa.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte beim Gillamoos-Volksfest, das TV-Duell habe sich zu sehr um Flüchtlinge und Manager gedreht. Es gebe dazwischen jedoch Millionen Menschen, die nicht bedürftig, aber auch nicht aus dem Gröbsten raus seien. „Diese Menschen haben sich gestern Abend doch gefragt: Wo war eigentlich ich?“

In Diskussionsrunden bei ARD und ZDF lieferten sich Vertreter der kleineren Parteien am Montag einen lebhafteren Schlagabtausch. So nannte etwa Linke-Spitzenkandidat Bartsch das Wahlversprechen von Union und SPD, 15 000 neue Polizeistellen in Bund und Ländern zu schaffen, im ZDF „unseriös“: Wer sich auskenne, wisse, dass nur gut 1000 Polzisten im Jahr ausgebildet werden könnten. Er, Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) warfen sich gegenseitig vor, für den Abbau von Polizeistellen in den vergangenen Jahren verantwortlich zu sein. Auch in der ARD attackierten sich etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir beim Thema Innere Sicherheit.