Kurz vor dem Koalitionsstart Schulz will Merkel wählen - Stühlerücken bei der SPD
Berlin (dpa) - Rund einen Monat nach seinem Rücktritt als SPD-Chef will Martin Schulz für eine weitere Amtszeit seiner früheren Gegnerin Angela Merkel (CDU) stimmen. In der SPD ging nach der Benennung der künftigen Minister das Stühlerücken weiter.
Kurz vor der Regierungsbildung prasselten von allen Seiten Forderungen und Wünsche auf die neue große Koalition ein.
„Ich werde an der Kanzlerin-Wahl teilnehmen und mit meiner Partei für eine Regierung stimmen, an deren Zustandekommen ich maßgeblich beteiligt war“, sagte der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Schulz der „Bild am Sonntag“. Die Wahl ist für diesen Mittwoch im Bundestag angesetzt.
Schulz war nach seinem Verzicht auf das Außenministerium und seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender Mitte Februar zunächst von der Bildfläche verschwunden. In seiner Heimatstadt Würselen habe er eine verschleppte Grippe auskuriert, so die Zeitung. Zehn Tage nach seinem Rückzug hatte die „Rheinische Post“ von großer Anteilnahme für Schulz in Würselen berichtet und einen Bekannten mit den Worten zitiert, es gehe Schulz nicht gut. Ab Montag will er laut „Bild am Sonntag“ in Berlin seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter wahrnehmen.
Nach der geplanten Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Montag und der erneuten Wahl von Merkel im Bundestag am Mittwoch soll die CDU-Chefin noch am selben Tag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Kanzlerin ernannt werden. Dann wird sie von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble vereidigt, ebenso wie die Bundesminister.
Bei der SPD folgten auf die Benennung ihrer Minister weitere Personalien. Im Saarland wurde Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger bei einem Landesparteitag in Dillingen zur Vorsitzenden der Landespartei gewählt - als Nachfolgerin des designierten Außen- und amtierenden Justizministers Heiko Maas. In Hamburg soll der bisherige Finanzsenator Peter Tschentscher Nachfolger von Bürgermeister Olaf Scholz werden, der Bundesfinanzminister und Vizekanzler wird.
Der Chef der NRW-SPD, Michael Groschek, forderte in Duisburg, auf dem SPD-Parteitag im April in Wiesbaden müsse deutlich werden, „dass wir um den besten Weg zur Erneuerung miteinander fair streiten und dann wieder vereint agieren“. Fraktionschefin Andrea Nahles soll dann offiziell erste Chefin der Sozialdemokraten werden.
Immer mehr Erwartungen werden an die in den Startlöchern stehende Regierung herangetragen. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit Blick auf den künftigen Finanzminister: „Er wird ein echter deutscher Finanzminister sein, der Tradition von Stabilität absolut verpflichtet.“
Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, forderte Scholz in der Bild“-Zeitung (Samstag) zu einer echten Reform der Einkommensteuer auf. Wolfgang Ischinger, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, forderte Maas in der Zeitung auf, dafür zu sorgen, „dass Berlin und Paris mit einer Stimme sprechen“. André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, verlangte vom designierten Innenminister Horst Seehofer (CSU) bundeseinheitliche Standards für die Ausbildung von Kriminalisten.
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, forderte in der Zeitung den künftigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, „zum Antreiber für eine zukunftsgerichtete Politik“ zu werden. Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, forderte die neue Regierung im „Spiegel“ auf, schnell für neue Richterstellen zu sorgen.
Die designierte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will bei der Integration von Migranten auf Zuwendung und zugleich konsequente Durchsetzung bestehender Regeln setzen, wie sie in den ARD-„Tagesthemen“ ankündigte. Der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will Hunderttausende AfD-Wähler zurückgewinnen, wie er der Funke-Mediengruppe (Samstag) sagte. Reaktionen erzeugte Spahn mit seiner Aussage, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“. SPD-Vize Ralf Stegner sagte der Funke-Gruppe, deutlich mehr müsse gegen Alters- und Kinderarmut getan werden.