Dürfen Ärzte dafür werben? Union und SPD streiten über Werbeverbot für Abtreibungen

Berlin (dpa) - Wenige Tage vor der Vereidigung der neuen schwarz-roten Bundesregierung streiten Union und SPD über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. In der Unionsfraktion des Bundestags regt sich Widerstand gegen einen SPD-Vorstoß für eine Streichung des Verbotsparagrafen 219a.

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Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), warf der SPD im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ stilloses Verhalten vor: „Die SPD hat in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Gesetzentwurf mit Maximalforderung eingebracht, der die Union in einer ihrer Grundüberzeugungen vor den Kopf stößt.“

Die rechtspolitische Fraktionssprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) sagte dem Magazin: „Ich hätte nicht gedacht, dass die neue Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles als Erstes ihren Namen unter einen Antrag setzt, mit dem der Schutz des ungeborenen Lebens vermindert werden soll.“

Die SPD hatte einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a vorgelegt. Der Paragraf stellt Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe. Sollte ein entsprechendes Gesetz durchkommen, „ist zu überlegen, ob wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen“, sagte Winkelmeier-Becker.

Im Februar hatte das Parlament bereits die Vorlagen der Linken, der Grünen und der FDP beraten. Die Linken und Grünen wollen das Werbeverbot ebenfalls abschaffen. Die FDP will nur noch grob anstößige Werbung unter Strafe stellen.

Die FDP warb für ihren Antrag. Die Abschaffung des Paragrafen sei nur die „zweitbeste Lösung“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann der „Rheinischen Post“. Die FDP sei nur gezwungen, SPD, Grünen und Linken dafür zur Mehrheit zu verhelfen, wenn ihr Antrag keine Mehrheit finde. Außer der Union will auch die AfD die Streichung des §219a verhindern.

SPD-Fraktionsvize Eva Högl hatte Anfang März betont, dass es vor der Vorlage des SPD-Antrags Gespräche mit der Unionsspitze gegeben habe. „Uns ist wichtig, dass wir am Ende eine Lösung haben, die es Ärztinnen und Ärzten ermöglicht, objektiv über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, nicht mehr und nicht weniger“, sagte die SPD-Politikerin.

Der SPD-Antrag führt den Fall einer Ärztin an, die im November vom Amtsgericht Gießen verurteilt worden war. Sie hatte auf ihrer Internetseite über einen Link „Schwangerschaftsabbruch“ eine Datei zum Download angeboten. Sie enthielt Informationen zum Schwangerschaftsabbruch sowie zu dessen Durchführung in ihrer Praxis.

Im Internet führen Abtreibungsgegner laut „Spiegel“ Listen von Ärzten, die Abbrüche vornehmen. Selbsternannte Lebensschützer schrieben Schmähbriefe, manche Ärzte bekämen Todesdrohungen. Die Vorsitzende des Verbands pro familia, Davina Höblich, sagte dem Magazin: „Der Paragraf 219a trägt zu diesem gesellschaftlichen Klima bei - und sorgt dafür, dass immer weniger Medizinerinnen und Mediziner bereit sind, in dieser rechtlichen Grauzone zu arbeiten.“