Weniger Bildung für Arme in NRW

Trotz Bildungsreformen ist der Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulerfolg immer noch groß.

Bielefeld. Kinder aus ärmeren Familien haben im Ländervergleich an nordrhein-westfälischen Schulen eher schlechte Karten. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Instituts für Schulentwicklungsforschung.

Ein Kind mit besserer sozialer Herkunft hat in NRW eine 5,5 Mal größere Chance, das Gymnasium zu besuchen, als ein Kind aus der Unterschicht, errechneten die Forscher. Im bundesweiten Durchschnitt beträgt der Faktor 4,5. Erstmals seien die Schulsysteme aller Bundesländer auf Chancengerechtigkeit untersucht worden.

Einem Schüler, dem es gelingt, von seiner weiterführenden Schule auf eine höhere Schulform zu wechseln, stehen in NRW 8,5 Schüler gegenüber, die auf eine niedrigere Schulform wechseln. Bundesweit kommen auf einen Aufstieg zwischen den Schulformen lediglich 4,3 Abstiege.

Dafür sind die NRW-Schulen bei der Vergabe der Hochschulreife besonders großzügig: 54 Prozent der jungen Erwachsenen erhalten Zugang zu den Hochschulen — das ist der höchste Abiturientenanteil aller Bundesländer. Bundesweit sind es lediglich 46 Prozent. Auch bleiben in NRW nur 6,5 Prozent der Schüler ohne Schulabschluss. Bundesweit sind es sieben Prozent.

Überdurchschnittlich ist auch der Anteil der Kinder in Förderschulen, früher Sonderschulen genannt. 5,3 Prozent aller NRW-Schüler sind Förderschüler — bundesweit liegt die Quote bei fünf Prozent. Bei der Quote der Sitzenbleiber schneidet NRW etwas besser ab: 2,5 Prozent aller Schüler der Sekundarstufe bleiben sitzen. Bundesweit sind es 2,9 Prozent.

Laut der Studie ist auch zehn Jahre nach dem Pisa-Schock die Chancengerechtigkeit insgesamt an deutschen Schulen ungenügend. Nach wie vor ist die Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg riesengroß.

Untersucht wurden für den „Chancenspiegel“ vier Bereiche, und zwar die Förderung von Lernbehinderten („Integrationskraft“), die Chancen für Kinder aus bildungsfernen Schichten, das Abitur zu erwerben (soziale „Durchlässigkeit“), die Leistungen beim Lesen und Textverständnis („Kompetenzförderung“) sowie der Anteil von Schülern mit weiterführenden Abschlüssen und ihre Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt („Zertifikatsvergabe“).

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Während in Sachsen drei von vier Schülern die Chance haben, eine Ganztagsschule zu besuchen, ist das in Bayern nicht einmal jeder zehnte.

In Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein müssen heute nur noch im Schnitt 1,7 Prozent der Schüler ein Schuljahr wiederholen, in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind dies dagegen 4,5 Prozent. Das „Sitzenbleiben“ gilt unter Schulforschern heute als verpönt.