Widerstand gegen Merkels Pläne zum Mindestlohn wächst

Berlin (dpa) - Der Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen branchenübergreifenden Mindestlohn stößt auch innerhalb der Union auf wachsenden Widerstand.

Während Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine zügige Umsetzung fordert, hält Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Initiative für falsch. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte klipp und klar: „Davon halte ich nichts“. Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner lehnt den Vorstoß der CDU-Spitze kategorisch ab. Nach einer Umfrage sind aber 91 Prozent der Deutschen dafür.

Von der Leyen will den flächendeckenden Mindestlohn noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen. „Die Aufgabe stellt sich jetzt“, sagte die CDU-Vizevorsitzende der „Bild am Sonntag“. „Die Zeit ist reif für den Mindestlohn.“ Die CDU will bereits auf ihrem Parteitag in einer Woche über eine Lohnuntergrenze in tariflosen Branchen abstimmen. Die Grenze soll von einer Kommission aus Arbeitgebern und -nehmern festgelegt werden und sich an der für die Zeitarbeit orientieren. Dort liegt der Mindestlohn zwischen 7,01 Euro (Ost) und 7,89 Euro (West).

Innenminister Friedrich wandte sich gegen diese Initiative. „Einen undifferenzierten flächendeckenden Mindestlohn halte ich für falsch“, sagte der CSU-Politiker der Zeitschrift „Superillu“. „Die CDU legt ihre eigene Programmatik fest. Am Ende muss sie sich in der Regierung mit der CSU und der FDP einigen. Mit der bisherigen Lösung ist die CSU sehr zufrieden.“

Bouffier sprach sich gegen einen allgemeinen Mindestlohn aus, der sich am Tarifabschluss der Zeitarbeit orientiert. „Davon halte ich nichts, um das einmal klar zu sagen. Ich kann nicht erkennen, warum der Abschluss für die Zeitarbeit nun plötzlich anderen Branchen übergestülpt werden soll“, sagte Bouffier dem Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“.

FDP-Generalsekretär Lindner sagte der „Bild am Sonntag“, im Koalitionsvertrag hätten Union und FDP den Mindestlohn abgelehnt. „Dabei bleibt es.“

Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts Emnid für die Zeitung ist eine Mehrheit von 91 Prozent für den Mindestlohn. Auch unter den Anhängern der Union sind es noch 84 Prozent.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, begrüßt die Debatte. „Grundsätzlich muss unter sozialethischen Gesichtspunkten gelten: Eine volle Berufstätigkeit soll so entlohnt werden, dass ein eigenverantwortetes Leben möglich ist“, sagte er am Sonntag vor der EKD-Synode in Magdeburg.

Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Wer acht Stunden am Tag arbeitet, muss davon leben können.“ Eine christliche Partei könne einen Stundenlohn von 4,50 Euro nicht als angemessen bezeichnen. Dagegen sagte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser der „Rheinpfalz“, das Angebot an Arbeitsplätzen für Geringqualifizierte werde sich dadurch „eher verringern“.

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, der Sozialdemokrat Michael Vassiliadis, stellte sich hinter die CDU-Pläne: „Ich halte den Vorschlag für vernünftig, keinen einheitlichen Mindestlohn mit einem Fixbetrag festzulegen, der in allen Branchen gilt.“ Besser sei es, die Tariffindung einer Kommission zu übertragen, wie es die Unionspläne vorsehen, sagte er der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ („HAZ“/Samstag). Dagegen sprach der IG-Bau-Vorsitzende Klaus Wiesehügel - ebenfalls SPD-Mitglied - im „Spiegel“ von einem Wahlkampfmanöver.

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht das so. „Frau Merkel setzt wieder auf einen Wahlkampf, der alle Konfliktthemen meidet und keine Angriffsflächen bieten soll“, sagte sie der „HAZ“. Aber: „Was 2009 für den Wahlkampf der Union funktioniert hat, taugt nicht als Rezept für 2013.“ Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Hubertus Heil, meinte, Merkel habe nicht die Kraft, sich in dieser Frage durchzusetzen.