Ausbau der Windenergie Noch mehr Windräder sollen in Nord- und Ostsee entstehen
Berlin · Die Betreiber von Windkraftanlagen warnen vor politischer Flaute, denn die Ausbauziele der Bundesregierung werden wohl früher als erwartet erreicht. Sie fordern, dass Berlin deshalb nachsteuern soll.
Während der Ausbau der Windenergie an Land akut in der Flaute steckt, drehen sich immer mehr Windräder in der Nordsee. Die Branche würde hier gern noch deutlich aktiver werden, sieht sich aber durch die Bundesregierung gebremst. Das machten Spitzenvertreter der Betreiber von Windkraftanlagen auf See am Donnerstag in Berlin deutlich.
Mit der Inbetriebnahme von 160 neuen Windrädern im vergangenen Jahr ausschließlich in der Nordsee konnte die Branche das drittbeste Ergebnis in der vergleichsweise noch jungen Geschichte der Energiegewinnung auf dem Meer erzielen. Der Startschuss fiel 2010 mit dem Projekt Alpha Ventus vor der Ems-Mündung. Gerade einmal 60 Megawatt sauberen Strom konnte die Anlage damals liefern. Heute gibt es bereits 1469 sogenannte Offshore-Anlagen in der Nord- und Ostsee mit einer Kapazität von insgesamt 7516 Megawatt. Allein 2019 kamen gut 1100 Megawatt hinzu. Das entspricht ungefähr der Leistung eines Atomkraftwerks oder eines modernen Kohlekraftwerks. Dabei sind die Windräder auch immer größer geworden. Ihre Nabenhöhe liegt im Schnitt bei 95 Metern und der Rotordurchmesser bei 132 Metern. Die neuesten Anlagen kommen hier aber schon auf 104 beziehungsweise 155 Meter. 25 000 Menschen sind in der Branche beschäftigt.
„Die Offshore-Windenergie hat sich aus Deutschland heraus zu einer internationalen Erfolgsgeschichte entwickelt“, erklärten die Vertreter. Deutschland ist gewissermaßen Vize-Europameister in dieser Disziplin – nur Großbritannien kann auf noch mehr Windräder verweisen. Allerdings sehen die Betreiber diese Entwicklung auch massiv in Gefahr. Denn mit den bisher errichteten Kapazitäten ist das von der Bundesregierung vorgegebene Ausbauziel von 15 Gigawatt Leistung bis 2030 bereits etwa zur Hälfte erreicht. Bis Ende 2020 dürfte die Offshore-Leistung bei 7,7 Gigawatt liegen. Die Betreiber fordern deshalb schon länger, das Ausbau-Ziel für 2030 auf mindestens 20 Gigawatt anzuheben. „Dafür muss die Bundesregierung schnell die gesetzlichen Grundlagen schaffen und in einem ersten Schritt freie Kapazitäten von bis zu zwei Gigawatt vergeben, um die Folgen der Ausbaulücke für die heimische Industrie abzufedern“, forderte Andreas Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie.
Branche fordert längere Ausbauperspektive
Schon Anfang 2019 hieß es aus der Branche, dass man locker in der Lage sei, Kapazitäten von zwei Gigawatt pro Jahr neu zu errichten. Bereits 2015 hatte man dieses Ausbau-Niveau auch schon mal erreicht. Weil die Windkraft besonders lange Planungsfristen erfordert, brauche es allerdings jetzt zügig eine Ausbauperspektive bis 2035 und bis 2050. „Sonst drohen Engpässe und zeitliche Verwerfungen“, so die aktuelle Befürchtung. Nach der Klarheit beim Ausstieg aus dem Kohlestrom sei ein ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich, um den fehlenden Strom zu ersetzen, meinte Wagner.
Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung lag im vergangenen Jahr in Deutschland bei 47 Prozent. Etwa die Hälfte ging auf die Windkraft zurück, davon rund 20 Prozent auf den Offshore-Bereich. Nach den Klimaschutz-Plänen der Regierung soll der Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 insgesamt auf 65 Prozent steigen. In der kommenden Woche will die Branche auch die aktuellen Daten zur Windenergie auf dem Land bekanntgeben. Vorab hieß es bereits, dass im vergangenen Jahr erstmals mehr Windräder auf See als auf dem Land errichtet wurden.