Wird jetzt der Solidaritätszuschlag gesenkt?

Berlin (dpa) - Koalition unter Zugzwang: Wenige Tage vor dem nächsten Spitzentreffen der Koalition werden Steuerentlastungen über eine Senkung des Solidaritätszuschlags immer wahrscheinlicher.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisiere eine Kürzung des Soli statt Änderungen bei der Einkommenssteuer, wie sie von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vorgeschlagen worden waren, berichtete die „Bild“-Zeitung am Montag unter Berufung auf Informationen aus dem Kanzleramt. Damit wolle Merkel einer Blockade durch den Bundesrat vorbeugen.

Rösler selbst zeigte sich offen dafür. Dem „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag) sagte der FDP-Chef, am Ende zähle die Entlastung. „Dabei ist nicht entscheidend, ob wir diese über die Einkommensteuer, eine Absenkung des Solidaritätszuschlags oder einer Kombination aus beidem schaffen.“

Vize-Regierungssprecher Georg Streiter sagte: „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir im Koalitionsausschuss am 6. November auch Alternativmodelle beraten werden.“ Schäuble-Sprecher Martin Kotthaus verwies lediglich darauf, dass der Schäuble-Rösler-Vorschlag auf dem Tisch liege.

„Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir am Wochenende zu einer Lösung kommen“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Zu den diskutierten Varianten meinte Lindner, es komme auf das Ziel an, untere und mittlere Einkommen zu entlasten. „Beides ist geeignet, das Ziel zu erreichen.“ Derzeit liefen die Beratungen mit den Bundesländern, die Änderungen im Steuersystem im Bundesrat stoppen können.

Lindner zufolge könnte die Koalition beim „Soli“ etwa Grundfreibeträge anheben, um Geringverdiener gestaffelt und gezielt zu entlasten. Er betonte, zunächst habe die Entschuldung des Staates Priorität. Bei den vorhandenen Spielräumen werde die Koalition dann schauen, diese auf die Entlastung der Bürger zu konzentrieren. Aus mehreren ostdeutschen Bundesländern hatte es am Wochenende Widerstand gegen eine Soli-Abschaffung gegeben.

Schäuble und Rösler hatten angekündigt, die „kalte Progression“ über die Einkommensteuer zu mindern. Bei der „kalten Progression“ kann trotz eines Einkommensanstiegs die Kaufkraft eines Steuerzahlers sinken, weil das Plus beim Brutto durch die Steuer wieder aufgezehrt wird. Dies soll durch eine Korrektur der Steuertarife samt höherem Grundfreibetrag erreicht werden. In den Bundesländern werden Einnahmeausfälle befürchtet. SPD-Länder hatten eine Blockade im Bundesrat angekündigt.

Beim Koalitionstreffen am kommenden Sonntag werde Merkel für die Senkung des Solidaritätszuschlags werben, hieß es laut „Bild“ aus dem Kanzleramt. Beim Koalitionsgipfel am 21. Oktober hatte Merkel noch deutlich gemacht, dass sie den Schäuble-Rösler-Plan als richtig empfinde. CSU-Chef Horst Seehofer hatte mit seinen Klarstellungen für Koalitionskrach gesorgt, dass er sich von Schäuble und Rösler übergangen fühle und keine Steuerpläne mitmache, die im Bundesrat keine Chance hätten.

Bei einer Soli-Senkung - ihr müssten die Länder nicht zustimmen - gilt es als schwierig, tatsächlich die gewünschte Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen hinzubekommen. Ein Vorschlag ist laut „Bild“ eine höhere Steuerfreigrenze, ab der die Abgabe gezahlt werden müsse. Möglich sei aber auch die Senkung des Satzes von derzeit 5,5 Prozent.

Der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), mahnte eine Entscheidung zum Steuerthema an. Es „muss am kommenden Sonntag vom Tisch“, sagte er der „Bild“. „Wir haben andere wichtige Themen, und ich erwarte, dass wir zu einer Entscheidung kommen. Das ewige Verschleppen schafft kein Vertrauen.“