Zerwürfnis: Jüdischer Landesverband sagt Israelreise mit Landeskirche ab
Gemeinsam wollten die Evangelische Landeskirche im Rheinland (Ekir) und Vertreter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden nach Israel reisen. Der viertägige Besuch sollte am Donnerstag starten. Doch ein Text in einer Arbeitshilfe zum Staatsjubiläum sorgt für Widerspruch.
Düsseldorf. Die gemeinsame Reise wurde als „neue Errungenschaft im jüdisch-christlichen Miteinander“ angekündigt. Am Donnerstag sollten Mitglieder der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland (Ekir) und Vertreter des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein für vier Tage nach Israel aufbrechen. Der Anlass: das 70-jährige Bestehen des Staates Israel. Das Ziel: das christliche Dorf Nes Ammim im Norden des Landes, 1963 von Christen aus den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz als Zeichen der Unterstützung für den jungen Staat Israel und seine Bevölkerung gegründet.
Daraus wird nun nichts. Am Dienstag sagte der jüdische Landesverband die gemeinsame Reise wieder ab. Anlass ist die jüngst erschienene Ekir-Arbeitshilfe „70 Jahre Staat Israel. Ein Termin im christlichen Kalender?“. Sie soll Gemeinden ermutigen, das Staatsjubiläum zum Inhalt von Gottesdiensten zu machen. „Wir teilen die Freude über das Bestehen dieses Staates, allen Anfeindungen in der Region und weltweit zum Trotz“, schreibt Präses Manfred Rekowski im Grußwort.
Man wisse sehr zu schätzen, dass die Ekir als einzige evangelische Landeskirche eine Arbeitshilfe zum 70-jährigen Bestehen des Staates Israel herausgegeben habe (siehe Datei zum Herunterladen), so Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes und der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. „Umso mehr hat uns der darin enthaltene Beitrag ,70 Jahre Staat Israel — ein Datum im christlichen Kalender?’ bestürzt und traurig zurückgelassen.“
Der Text verunglimpfe Israel als brutale Besatzungsmacht und unterschlage historische Fakten. „Zur 70. Jubiläumsfeier der Gründung des Staates Israel auf die Lebenslage der palästinensischen Bevölkerung als direktes Resultat der Staatsgründung Israels zu verweisen, stellt das Existenzrecht Israels in Frage und hinterlässt einen faden Beigeschmack antizionistischer Stereotype.“
Zwar habe ihm Rekowski versichert, dass es sich um einen namentlich gekennzeichneten Beitrag und nicht um eine Grundlagenerklärung der rheinischen Landeskirche handele, so Horowitz. Aber es habe keine „unmissverständliche Erklärung der Kirchenleitung bzw. Distanzierung zu dem Artikel“ gegeben. Daher habe man sich entschieden, die gemeinsame Reise nicht anzutreten.
Bei der Ekir bedauert man die Entscheidung. Die Reise sei geplant gewesen, „um Gemeinsamkeiten in unseren Positionen noch besser wahrnehmen zu können, aber auch Unterschiede präziser zu beschreiben“, erklärte Rekowski. „Dort, wo sachliche Kritik an der Arbeitshilfe geübt wird, beschäftigen wir uns selbstverständlich damit.“
Verfasser des umstrittenen Textes ist Rainer Stuhlmann, früherer Vorsitzender des Theologischen Ausschusses der Ekir und von 2011 bis 2016 Studienleiter in Nes Ammim, dem geplanten Ziel der Reise. Der in Israel lebende deutsche Journalist Ulrich Sahm, der mit seiner Berichterstattung die Diskussion über die Arbeitshilfe mit angestoßen hat, wirft Stuhlmann vor, seine Argumente stammten „aus dem klassischen Repertoire palästinensischer Propaganda zur Delegitimierung Israels und der Juden“. So unterschlage Stuhlmann beispielsweise den Kriegsbeschluss der arabischen Nachbarstaaten nach der Gründung Israels.
Allerdings schreibt Stuhlmann gleich zu Beginn seines Textes: „Israel ist der einzige Staat, dessen Existenzrecht von Anfang an bestritten wurde — nicht nur von allen seinen Nachbarn. Und er ist der einzige Staat, dessen Gründung mit einer Kriegserklärung all seiner Nachbarstaaten beantwortet wurde. Bis heute sprechen ihm viele arabische und islamische Staaten sein Existenzrecht ab.“
Volker Haarmann, zuständiger Dezernent im Landeskirchenamt für den christlich-jüdischen Dialog und Mitorganisator der Reise, spricht daher auch von einem Text „zwischen den Stühlen, der nicht das eine gegen das andere ausspielt“. Wenn man einzelne Sätze herausschneide, übersehe man den Punkt, um den es im Kern gehe. Mit den Vorwürfen werde das Anliegen von Stuhlmann „auf den Kopf gestellt“. Den Text als antiisraelisch wahrzunehmen, sei eine Verdrehung, „die mir nicht nachvollziehbar erscheint“.
Haarmann zeigte sich aber überzeugt, „dass unsere guten Beziehungen das aushalten“. Auch Horowitz äußerte die Hoffnung, „den wichtigen und konstruktiv-kritischen Dialog in diesem sinnträchtigen Jubiläumsjahr zu einem gegebenen Zeitpunkt wieder aufnehmen zu können“.
Den Anstoß für die Reise hatte der Synodenbeschluss der Ekir von 2016 gegeben. Unter dem Titel „Schritte auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina“ hatte sich die Ekir darin zur völkerrechtlich verbindlichen Beschlusslage der Zwei-Staaten-Lösung bekannt. Die kontroversen Diskussionen darüber sollten nun vor Ort fortgeführt werden. Stattdessen plant der jüdische Landesverband jetzt eine eigene Israelreise — und die evangelische Kirchenleitung bleibt zu Hause.