Zurück auf Los: Neustart bei Endlagersuche

Berlin (dpa) - 35 Jahre lang konzentrierte sich alles auf den Salzstock Gorleben, jetzt soll erstmals bundesweit nach einem Atommüll-Endlager gesucht werden. „Es gibt eine weiße Landkarte - kein Tabu“, sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach einem Treffen mit Vertretern aller 16 Bundesländer.

Es gehe darum, den sichersten Standort für ein Endlager zu finden. Gorleben werde aber dennoch weiter erkundet. Am Ende solle ein Vergleich zwischen zwei möglichen Endlagerstandorten stehen. „Die Zeit dafür ist überreif“, sagte Röttgen und lobte, kein Bundesland entziehe sich.

Noch im November soll eine Arbeitsgruppe des Bundes und acht Ländern - darunter Niedersachsen, Bayern, NRW und Baden-Württemberg - eingerichtet werden und Vorschläge für einen Endlagerkonsens erarbeiten. Diese sollen bis Sommer 2012 in ein Endlagersuchgesetz münden. Röttgen betonte, mit der neuen Einigkeit könne „der Kampf und der Krampf der vergangenen Jahre“ in der Endlagerfrage überwunden werden. Entweder man löse das Problem im Konsens oder gar nicht.

Am 11. November 1976 war das an der Grenze zur DDR gelegene Gorleben bei einem Treffen der niedersächsischen Landesregierung mit drei Bundesministern ins Spiel gebracht worden - die Umstände dafür sind bis heute unklar, weil andere Salzstöcke zuvor als besser geeignet galten. 1977 fiel dann die Entscheidung, nur den Salzstock Gorleben zu prüfen, 1980 begann unter Tage die Arbeit.

Bei einem Neustart wäre nicht ausgeschlossen, dass man wieder bei Gorleben landet, da der Standort im Rennen bleiben soll. In die Prüfung wurden bisher 1,6 Milliarden Euro investiert. Doch SPD, Grüne, Linke und Umweltverbände dringen auf Alternativen, weil der Standort wegen eines fehlenden durchgängigen Deckgebirges und Gasvorkommen zu unsicher sei, um dauerhaft hochradioaktiven Müll im Salz sicher zu verschließen und Radioaktivität abzuschirmen.

Aus Baden-Württemberg kommt der Vorschlag, bundesweit bis zu vier weitere Standorte zu prüfen und 2020/2021 zwischen den zwei besten Optionen das Endlager auszuwählen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einer einmaligen Chance für einen Endlagerkonsens. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) betonte, es gebe jetzt eine Vielzahl von Fragen zu klären. Etwa ob es ein Tiefenlager geben soll oder nicht, ob der Müll in Salz, Ton oder kristallinem Gestein eingelagert werden soll und ob die Lagerung rückholbar oder nicht gestaltet werden soll.

Das sei letztlich eine Entscheidung, die Bundesrat und Bundestag zu treffen haben - unter Beteiligung der gesamten Gesellschaft und wissenschaftsbasiert. „Wir müssen die Endlagerforschungskapazitäten in Deutschland weiter ausbauen“, forderte McAllister angesichts des geplanten Neustarts. Bei Gorleben gebe es die „Erkundung auf der einen Seite und einen Entscheidungsvorbehalt auf der anderen Seite“.

Auch Bayern zeigte Bereitschaft, bei Null anzufangen: „Die Geologie ist das entscheidende, nicht die Geografie“, sagte der neue Umweltminister Marcel Huber (CSU). Das Land hatte früher kategorisch eine neue Suche ausgeschlossen, nach dem Atomausstiegsbeschluss aber eine neue Offenheit gezeigt. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) betonte: „Wir müssen die Menschen mitnehmen in diesem Prozess.“ Dies sei das wichtigste für den Erfolg.

Politiker von SPD, Grünen, Linken sowie Umweltverbände forderten einen sofortigen Stopp der Arbeiten in Gorleben, sonst könne es keinen echten Neuanfang geben. In Gorleben werde nicht erkundet, sondern bereits gebaut, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. „Am Standort Gorleben festzuhalten bedeutet nichts anderes, als die letzte Hoffnung auf Vertrauen endgültig zu zerstören und zig Millionen Steuergelder zu vergeuden“, sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sagte, nur der Stopp der Ausbauarbeiten in Gorleben schaffe Vertrauen für den Suchprozess.

Von Greenpeace hieß es: „Wenn Gorleben bei der Endlagersuche weiterhin im Topf bleibt, ist das Verfahren zum Scheitern verurteilt.“ Die Umweltorganisation fordert auch ein Aus für den nächsten Transport mit hochradioaktiver Fracht in das oberirdische Zwischenlager, das in der Nähe des Erkundungssalzstocks liegt. Greenpeace begründet dies mit umstrittenen Strahlenwerten im Zwischenlager. Ende November soll der Castor-Transport in Gorleben eintreffen - die Polizei bereitet sich auf einen millionenschweren Großeinsatz vor.