Kabinett beschließt Reform von Euro-Rettungsschirm
Berlin (dpa) - Bei neuen Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF hat künftig der Bundestag ein gewichtiges Wort mitzureden. Haushaltsexperten von Union und FDP vereinbarten am Mittwoch weitgehende Mitspracherechte des Parlaments.
Der Spielraum der Euro-Retter soll aber nicht zu stark eingeengt werden. Die Regierung brachte zuvor die von den Euro-Ländern vereinbarte Reform des Rettungsschirms auf den Weg, die bis Ende September vom Bundestag und Bundesrat endgültig abgesegnet werden soll.
Die vom Kabinett gebilligte Änderung des Stabilisierungs-Gesetzes sieht zusätzliche Befugnisse und ein höheres Ausleihvolumen für Notkredite vor. Der EFSF soll künftig Anleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen, vorsorglich Kredite verleihen und Staaten Geld zur Bankenstützung bereitstellen.
Die von der Opposition, aber auch aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition geforderte stärkere Beteiligung der Abgeordneten wurden ausgeklammert. Dies soll der Bundestag im weiteren Gesetzgebungsverfahren selbst regeln. Dabei wird auch die für 7. September angekündigte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen berücksichtigt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) informierte nach der Kabinettssitzung die Partei- und Fraktionschefs der im Bundestag vertretenen Parteien. SPD und Grüne wollen die EFSF-Reform mittragen, fordern aber mehr Informationen und eine stärkere Einbindung des Finanzsektors. Die Linke lehnt die Pläne ab. Schwarz-Gelb hofft weiter auf eine eigene Mehrheit für die EFSF-Neuausrichtung.
Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone hatten vereinbart, das tatsächlich verfügbare Ausleihvolumen des EFSF auf 440 Milliarden Euro aufzustocken. Zudem erhält der EFSF zusätzliche Instrumente, um eine Ausweitung der Euro-Schuldenkrise zu verhindern.
Mit Blick auf die zuletzt umstrittenen Vorstöße von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Euro-Rettung sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, das Kabinettsvotum sei einstimmig gefallen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) regte an, die „haushaltspolitischen Daumenschrauben“ weiter anziehen. Er könne sich vorstellen, die Maastricht-Defizitgrenze von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes mittelfristig abzusenken.
Mit der Änderung des „Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ („StabMech-Gesetz“) werden Vereinbarungen der Euro-Länder umgesetzt. Bisher muss sich die Regierung vor neuen Hilfen um ein „Einvernehmen“ mit dem Haushaltsausschuss bemühen.
Unionsfraktionschef Volker Kauder will der Regierung auch bei einer stärkeren Bundestags-Einbindung Spielraum einräumen. „Es muss auch die Umsetzung eines solchen Rettungsschirmes operativ möglich sein, ohne dass große öffentliche Diskussionen im Bundestag stattfinden.“ Der CDU-Politiker warb für gemeinsame Leitlinien von Koalition und Opposition zur möglichen Beteiligung des Bundestags.
In der Koalition wird ein Mittelweg diskutiert. Nach einem von den Haushaltsexperten abgestimmten Papier wird ein „an der Bedeutung der jeweiligen Entscheidung orientiertes“ Stufenverfahren vorgeschlagen. Demnach soll der Bundestag vor einem EFSF-Votum zustimmen, wenn ein Euro-Land Hilfskredite, vorsorgliche Maßnahmen, die Rekapitalisierung von Finanzinstituten sowie Anleihekäufe“ beantragt hat. Dies betrifft auch Maßnahmen mit Folgen für den Bundeshaushalt.
Die im neuen EFSF-Rahmenvertrag der Euro-Länder geplanten Leitlinien für die neuen Instrumente müssten vom Haushaltsausschuss gebilligt werden. Werden bereits genehmigte Notmaßnahmen nachträglich geändert, ohne dass der Finanzrahmen ausgeweitet wird, müsse der Haushaltsausschuss zustimmen. Dies betreffe etwa neue Laufzeiten oder Zinshöhen. Werden Hilfen ausgezahlt, soll der Haushaltsausschuss informiert werden.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, die Kanzlerin habe „ein Programm zur Vergemeinschaftung von Schulden in den Krisenstaaten der Eurozone vorgestellt“. Die SPD werde dieses Programm mittragen, weil es im Interesse der Exportnation Deutschland notwendig sei. Es müsse aber klar werden, dass die „Zeche (...) auch durch den Finanzsektor mit bezahlt werden muss“. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kritisierte: „Das Herzstück dieses Gesetzes fehlt eigentlich - die Frage, inwieweit parlamentarische Beteiligung sichergestellt ist.“
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: „Wir sind zu einem gemeinsamen Vorgehen zur Sicherung der Rechte des Bundestages bereit.“ Er forderte, die Finanzsteuer notfalls in den 17 Euro-Ländern einzuführen, falls es keine Mehrheit aller 27 EU-Staaten gebe. „Hier erwarten wir von der Bundesregierung klare Schritte.“
Nach den Worten von Linken-Parteichef Klaus Ernst wird die „Euro-Krise zum Staatsstreich der Finanzmärkte, und die Bundesregierung spielt mit“. Die Linke lehne eine Transferunion für Banken ab. Verursacher und Profiteure der Krise würden geschont. Notwendig sei unter anderen eine EU-weite Vermögensabgabe.