80-Stunden-Woche: Junge Ärzte fliehen ins Ausland
Medizin: Nach einer neuen Studie ist mehr als jeder fünfte junge Krankenhaus-Arzt seelisch und körperlich ausgebrannt.
Düsseldorf. 23 Prozent der jungen Ärzte in Krankenhäusern leiden unter dem Burnout-Syndrom. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das Institut für Freie Berufe der Universität Erlangen-Nürnberg im Auftrag der Ärztekammer Nordrhein (Äkno) erstellt hat.
Äkno-Vizepräsident Arnold Schüller warf den Arbeitgebern in Düsseldorf vor, geltendes Tarifrecht zu brechen. "Die vertraglich bei rund 40 Stunden pro Woche liegenden Arbeitszeiten werden ohne Vergütung bis zum Doppelten überschritten", sagte Schüller. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wies das zurück. "Mammutschichten sind ein Klischee und gehören der Vergangenheit an", sagte ein Sprecher. Dem widerspricht die Studie, wonach sich jeder zweite Arzt über eine "systematische Verletzung des Arbeitszeitgesetzes" beschwert. Die Untersuchung beruht auf einer Befragung von 1300 Medizinern mit einer Berufserfahrung von bis zu zehn Jahren.
Schüller kritisierte zudem, dass Assistenzärzte einen Brutto-Stundenlohn von 11,80 Euro erhielten: "Das ist Ausbeutung." Auch werde durch eine bürokratische Überfrachtung des Berufs das Verhältnis zwischen Arzt und Patient beschädigt. Schüller an die Adresse der Politik und Klinik-Betreiber: "Wer die hohe Leistungsbereitschaft der Ärzte als Systemressource ansieht, die zugunsten der desolaten öffentlichen Kassen weiter ausgebeutet werden kann, macht einen Fehler."
Sollten sich die Bedingungen nicht ändern, erwartet die Kammer einen dramatischen Ärztemangel. Schon jetzt komme es zu einer Flucht in andere Berufe oder ins Ausland. Nach Statistiken der Kammer ergreifen mittlerweile 40 Prozent der Medizin-Studienanfänger später nicht mehr den Arztberuf. Zudem wächst die Zahl der Auswanderer rapide. Im vergangenen Jahr verließen 2600 Ärzte das Land, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Bevorzugte Ziele waren die USA, Großbritannien, Österreich und die Schweiz.
Das Klinik-Personal wird ausgebeutet, das ist unstrittig. Unstrittig ist auch, dass Ärzte und Patienten gleichermaßen die Leidtragenden sind. Doch wer glaubt, die Politik müsse nur mehr Geld ins System pumpen, und alles werde gut, irrt: Unser bestehendes Gesundheitswesen kann die Krise nicht bewältigen, einen Neuanfang aber wird es mit der Großen Koalition nicht geben. Und selbst eine geglückte Reform würde die Macht des Faktischen nicht brechen: Weil wir immer älter werden und die Kosten für den medizinischen Fortschritt rapide steigen, müssen wir künftig einen noch größeren Teil unseres Einkommens für die Gesundheit ausgeben.