Straftaten im Internet Cybercrime: Verstärkung für Internet-Fahnder
Seit fünf Jahren hat das LKA ein Kompetenzzentrum für Cybercrime. Jetzt wird dort aufgerüstet.
Düsseldorf. Sie werden mehr, sie werden besser — und sie fordern jedes Jahr weltweit Milliardenschäden: Cyberangriffe halten Ermittler auf Trab und zwingen sie, immer wieder neue Wege bei der Verfolgung von Straftaten einzuschlagen. In Nordrhein-Westfalen wurde das früh erkannt. Es war vor fünf Jahren das erste Bundesland, das eine Spezialeinheit zur Bekämpfung der Computerkriminalität einführte. Tausende Fälle hat dieses Cybercrime-Kompetenzzentrum beim Landeskriminalamt in Düsseldorf seither bearbeitet. Jetzt wird es aufgestockt.
„Wir rüsten weiter auf“, kündigte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag anlässlich der Fünf-Jahres-Bilanz im LKA an. 36 neue IT-Fachleute sollen das Kompetenzzentrum in Zukunft verstärken, um auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. „Es geht auch darum, die Hass-Kriminalität im Netz zu bekämpfen“, so Jäger. Aber auch zwei Islamwissenschaftler sind neu im Boot, um der Bedrohung des islamistischen Terrorismus’ im Internet auf der Spur zu sein. Weitere 16 IT-Experten sollen darüber hinaus die örtlichen Polizeibehörden bekommen, damit der Bürger auch gut beraten ist, wenn er sich an seine Beamten vor Ort wendet.
Beraten haben die Cybercrime-Spezialisten seit dem Start 1500 Unternehmen, die zum Ziel von Attacken geworden sind. In weiteren 1200 Fällen haben sie die Polizei bei deren Fahndung unterstützt. Insgesamt 47 Ermittlungskommissionen hat es in fünf Jahren gegeben — elf davon laufen aktuell. Was sich nicht nach einer hohen Zahl anhört, beinhaltet tatsächlich Mammutermittlungen, wie Dezernatsleiter Dirk Kunze erklärt: So beackere eine dieser Kommissionen beispielsweise 134 Fälle mit einer Schadenssumme von 51 Millionen Euro. Es geht um den sogenannten „CEO-Fraud“. „Das ist sozusagen der Enkeltrick 4.0“, sagt der Experte. Die Täter geben sich dabei mit viel Geschick und Recherche als Geschäftsführer eines Unternehmens aus und veranlassen Mitarbeiter dazu, größere Geldbeträge auf ein Konto im Ausland zu transferieren. Im Falle der besagten Ermittlungskommission, so Kunze, sei es gelungen, zumindest 28 Millionen Euro, die so erbeutet wurden, zurückzuverfolgen, die Konten einzufrieren und das Geld zum Teil schon zurückzuholen.
Namen betroffener Unternehmen nennt das LKA in der Regel nicht. „Wir haben das Problem, dass die Firmen nur sehr spärlich Anzeige erstatten“, sagt Kunze. Das liege an der — unbegründeten — Angst, die Ermittler würden wichtige Technik sicherstellen. Aber auch an der Sorge um die eigene Reputation. Ausnahme sei, wenn das Unternehmen selbst mit den Ermittlern an die Öffentlichkeit gehen will, wie es das Neusser Lukaskrankenhaus nach einem Hackerangriff mit der sogenannten „Ransom-Ware“ im vergangenen Jahr getan hatte. Ein Virus verschlüsselte Patientendaten der Klinik und erpresste diese dann um Geld, damit sie wieder freigegeben würden. Man habe damals an einen kurzlebigen Kriminalitätstrend geglaubt, sagt Kunze, „aber tatsächlich steigen die Fallzahlen derzeit immer noch weiter“.
Mit einer ähnlichen Masche erpressten Hacker 2012 deutsche Online-Shops: Sie legten deren Server lahm und forderten dann Geld. Der Schaden lag im zweistelligen Millionenbereich. Drei Jahre lang bleiben die LKA-Ermittler im Netz an den Tätern dran — schließlich klickten in der Ukraine die Handschellen. Ein weiteres Beispiel für Aufwand und Zeit, welche die Cybercrime-Spezialisten in Düsseldorf investieren.
Deshalb wird auch die Struktur im Kompetenzzentrum jetzt verändert: Ein neues Recherche- und Fahndungszentrum soll in Zukunft besonders umfangreiche Fälle bearbeiten. Vor allem den Waffen- und Drogenhandel im Darknet hat diese Abteilung im Blick. Europa mit seiner sehr guten Server-Infrastruktur ist laut Kunze ein Knotenpunkt für den anonymen Datenverkehr. „Die neue Abteilung und das Recherchezentrum unterstreichen, dass der Kampf gegen Cybercrime bei der Landesregierung weiter höchste Priorität hat“, erklärt Jäger.
Kritik gab es am Montag dennoch aus der Opposition: Theo Kruse, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, warf Jäger „Stückwerk“ bei der Bekämpfung der Computerkriminalität vor. „Wir brauchen zwar Informatiker zur Bekämpfung von Cyberkriminalität — aber was sollen die ausrichten, wenn es keine zusätzlichen Ermittler gibt?“, fragt er. Ohne eine Stärkung der Kripo könnte das Kompetenzzentrum wenig bewirken. Allerdings hat die rot-grüne Landesregierung die Einstellungszahlen bei der Polizei in der jüngeren Vergangenheit bereits drastisch erhöht.