Urteil Diesel-Fahrverbote: Diese elf NRW-Städte könnte es treffen
NRW schaut gebannt nach Leipzig: Hält das Oberverwaltungsgericht Diesel-Fahrverbote für rechtmäßig? Konkret geht es am Donnerstag um Düsseldorf. Doch auch andere Städte machen sich Gedanken. Mit einer möglichen Maßnahme zur Luftverbesserung hat es Essen in die heute-show geschafft.
Düsseldorf/Köln. Motoren laufen, Bremsen quietschen, immer wieder ertönt lautes Hupen. Stoßstange an Stoßstange warten die Autos auf die nächste Grünphase - „Rushhour“ auf der Düsseldorfer Corneliusstraße. Die wichtige Verkehrsader der Stadt ist vierspurig, mittendrin verlaufen Schienen der Straßenbahn, links und rechts bilden Wohnhäuser eine Schlucht. Die Luft ist schlecht, im Sommer aber stauen sich die Abgase noch viel mehr.
Dabei hat sich die „dreckigste Straße Düsseldorfs“ schon gebessert: Die Messstelle des Umweltbundesamtes zeigte im vergangenen Jahr einen Rückgang um zwei auf 56 Mikogramm - doch der Grenzwert zum Schutz der Gesundheit liegt bei 40 Mikrogramm NO2 je Kubikmeter Luft im Jahresmittel. An diesem Donnerstag könnte es eine höchstrichterliche Entscheidung geben, die dann wohl auch die Corneliusstraße treffen wird: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet am Fall von Stuttgart und Düsseldorf, ob Diesel-Fahrverbote ein rechtlich zulässiges Mittel und in die jeweiligen Luftreinhaltepläne aufzunehmen sind.
Diesel-Autos gelten als Hauptverursacher der Stickoxide. Diese Gase können Atemwege und Augen reizen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lungenprobleme auslösen. Im September 2016 hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf in erster Instanz bereits örtliche Fahrverbote angeregt und die Bezirksregierung verurteilt, beim Luftreinhalteplan nachzubessern. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe. Sie sieht in Fahrverboten ein probates Mittel gegen die häufig überhöhten Grenzwerte in der Landeshauptstadt. Beide Seiten einigten sich, den Fall höchstrichterlich in Leipzig klären zu lassen. Auch, wenn es konkret nur um Stuttgart und Düsseldorf geht, wird das Urteil richtungsweisend sein - davon gehen alle 37 in Deutschland betroffenen Städte aus.
In NRW überschritten im vergangenen Jahr elf Städte den Grenzwert: Neben Düsseldorf waren das Köln, Dortmund, Oberhausen, Wuppertal, Hagen, Aachen, Leverkusen, Gelsenkirchen, Solingen und Essen. Die Domstadt am Rhein ist dabei trauriger Spitzenreiter. Das Bundesverwaltungsgericht selbst wird jedoch kein Verbot anordnen.
Fahrverbote wären immer eine Einzelfall-Entscheidung und könnten von Stadt zu Stadt unterschiedlich ausfallen. Doch gerade dieser Fakt bereitet Stadtoberhäuptern Kopfzerbrechen. Im Ballungsraum NRW könnte ein Flickenteppich an Verordnungen entstehen. Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) sieht auf seine Stadt eine „nahezu unlösbare Aufgabe“ zukommen. Innerhalb kurzer Zeit müsste ein „Schilderwald“ aufgestellt werden und zahllose Sondergenehmigungen für Einsatzkräfte und Selbstständige ausgestellt werden, fürchtet er.
Auf letztere hofft auch Taner Baltaci. Ihm gehört eine Fahrschule auf der Düsseldorfer Corneliusstraße. Seine Anfänger lernen im Diesel, der beim Anfahren mehr Fehler verzeihe als ein Benziner. „Das Problem ist, dass dann alle eine Ausnahmegenehmigung haben wollen - und dann ist wieder alles wie vorher“, sagt er. Fuhrparks von Unternehmen bestünden zu 80 bis 90 Prozent aus Dieselfahrzeugen, warnte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer in der „Rheinischen Post“. Er spricht von Existenzbedrohung.
„Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote für zulässig erklären sollte, werden daraus keine kurzfristigen Straßensperrungen in einzelnen Städten folgen“, beschwichtigt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen. Er sieht im Ernstfall erst einmal die Bezirksregierungen in der Pflicht, die Luftreinhaltepläne entsprechend anzupassen und mögliche Maßnahmen zu prüfen. „Dabei ist klar: Wir müssen die Gesundheit der Menschen schützen, wir wollen aber auch die Städte nicht lahmlegen.“
Die Nachbarstadt Köln hat auch eine Corneliusstraße, beziehungsweise gleich mehrere dieser Art. Hier heißen sie Clevischer Ring, Luxemburger und Aachener Straße. Ein „unspezifiziertes“ Fahrverbot lehnt Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) jedoch ab. Auch eine City-Maut solle nicht verfolgt werden. Eine „Blaue Plakette“ hingegen für besonders schadstoffarme Autos könne sie sich vorstellen.
Essen denkt man unter anderem auch über den Abriss von Häusern entlang der vielbefahrenen Gladbecker Straße nach, um die Luftqualität zu verbessern. Durch eine mögliche Neubebauung mit mehr Abstand zur Straße könnte eine bessere Entlüftung sichergestellt werden. In der ZDF-heute show bewertete Moderator Oliver Welke dies bereits Anfang Februar als eine „super Idee“ und witzelte: „Wir reißen einfach alle deutschen Städte ab - das wäre eine Belüftung!“. dpa