Großprojekt: Neues Kraftwerk am Rhein ohne deutsche Steinkohle
Für eine Milliarde Euro entsteht in Krefeld ein Strom-Meiler. Verfeuert wird allein Importkohle.
<strong>Krefeld/Düsseldorf. Die Steinkohle hat Zukunft, allerdings kaum die deutsche: Für eine Milliarde Euro wird in Krefeld ein 750-Megawatt-Steinkohlekraftwerk errichtet. Baubeginn ist 2008, Fertigstellung 2012. Das Kraftwerk im Chemiepark Bayer Uerdingen deckt dann den Strombedarf für rund 1,5 Millionen Haushalte. Und das für 60 Jahre. Bauherr ist die zur Aachener Trianel-Gruppe gehörende Trianel Power-Projektgesellschaft Kohlekraftwerk (TPK), die im Auftrag von 27 Stadtwerken und Regionalversorgungsunternehmen - darunter die Stadtwerke Krefeld - handelt.
Die 250 000 Tonnen Steinkohle, die der Kraftwerksriese dann monatlich verfeuert, werden aber kaum noch aus deutschen Zechen kommen. Die nahegelegene Zeche Walsum schließt schon 2008, die Zeche in Kamp-Lintfort sieht in eine ungewisse Zukunft. TPK-Geschäftsführer Martin Hector: "Die heimische Kohle ist okay. Aber wir brauchen langfristige Verträge. Deshalb werden wir mit Blick auf die derzeitige politische Beschlusslage auf den Import setzen."
Zechen: In der Bundesrepublik arbeiten noch acht Zechen mit insgesamt knapp 35 000 Beschäftigten. Sieben dieser Zechen liegen in NRW, eine im Saarland
Förderung: Die deutschen Zechen fördern pro Jahr rund 22 Millionen Tonnen Steinkohle
Subventionen: Derzeit wird die deutsche Steinkohle pro Jahr mit 2,6 Millionen subventioniert
Davon scheint nichts geblieben. All der öffentliche Streit vor dem Kohlegipfel in Berlin kann nicht verdecken: Es geht der Politik nur noch um das Datum des Totalausstiegs, nicht mehr um das Ob. Es regieren die emotionslosen Buchhalter, und deren Zahlen sind klar. Rund 2,6 Milliarden Subventionen fließen in die acht verbliebenen Zechen, jeder Arbeitsplatz wird mit 70 000 Euro unterstützt. Herausgeworfenes Geld also.
Tatsächlich? Wir wollen nur am Rande an die milliardenschweren EU-Agrarbeihilfen erinnern, deren größter Profiteur das britische Königshaus ist, und in deren Folge ganze Volkswirtschaften in der Dritten Welt vor die Hunde gehen. Nun rechtfertigt gewiss der eine Unfug nicht den nächsten. Und die Verfechter der Agrarsubventionen finden wunderbare Erklärungen für deren Notwendigkeit. Aber hat die Kohle, deren Subventionen nur einen Bruchteil der Agrarbeihilfen ausmachen, nicht ebenso bedenkenswerte Begründungen auf ihrer Seite?
Die fossilen Energieträger Öl und Gas werden in 80 Jahren erschöpft sein, schätzen die Experten. Die Steinkohle reicht für 200 Jahre. Deutsche Steinkohle wird aus Tiefen unter 1600 Meter abgebaut, südafrikanische oder kanadische bis 600 Meter Tiefe. Mit deutscher Fördertechnik übrigens, einer Hochtechnologie, die weltweit noch immer führend ist. In 20, spätestens 30 Jahren aber wird der geologische Vorteil der Konkurrenten entfallen oder stark geschrumpft sein. Und damit auch deren Preisvorteil. Steigen wir aber jetzt aus der Kohle aus, verlieren wir nicht nur den Zugriff auf die Lager, sondern auch den Exportschlager Bergbautechnik.
Die Forderung nach einem deutschen "Sockelbergbau" zu vertretbaren Kosten, vor wenigen Jahren noch Konsens, ist also so abwegig nicht. Nicht als nostalgisches Industriemuseum, sondern als Sicherung einer Hochtechnologie, die - unter schon heute absehbar geänderten Rahmenbedingungen - durchaus energiepolitisch eine sinnvolle Zukunftsoption sein kann. Bei allem Respekt vor den aktuellen Nöten der Finanzpolitiker: Sollte das nicht bei der Entscheidung über die Steinkohle auch eine Rolle spielen?