Interview Marcus Optendrenk (MdL): „Rot-Grün ist erschreckend mutlos“
Der CDU-Haushaltsexperte und Justiziar zum Überschuss im NRW-Haushalt, seinen Gegenspieler Walter-Borjans und das Amt als Justiziar.
Düsseldorf. Seit Mai 2012 ist Marcus Optendrenk direkt gewähler Landtagsabgeordneter der CDU für den Wahlkreis Viersen II. Im Januar dieses Jahres wurde der Haushaltsexperte einstimmig zum Nachfolger des bisherigen Justiziars Wilhelm Droste gewählt.
Herr Optendrenk, Sie sind nicht nur haushalts- und finanzpolitischer Sprecher, sondern neuerdings auch der Justiziar der CDU-Fraktion im Landtag. Sprechen wir jetzt auch mit dem möglichen nächsten nordrhein-westfälischen Finanzminister?
Marcus Optendrenk: Personalfragen sind ungelegte Eier. Unser Spitzenkandidat Armin Laschet wird seine Personalentwicklungsplanung auf den Tisch legen. Diese Fragen müssen Sie mit ihm besprechen.
Zu Ihrem Gegenspieler, dem derzeitigen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Macht er seine Sache nicht gut — angesichts der Tatsache, dass er sich erst kürzlich für einen Millionenüberschuss im Haushalt 2016 statt neuer Milliardenschulden feierte?
Optendrenk: Niemand war von diesem Haushaltsabschluss mehr überrascht als der Finanzminister. Walter-Borjans sagt, der Haushaltsabschluss 2016 sei durch eine Mischung aus glücklichen Zufällen so ausgefallen. Strukturell hat sich leider nichts getan. Mit der Perspektive auf 2017 soll es kaum Veränderungen geben. Also nach wie vor neue Schulden von mehr als 1,6 Milliarden Euro.
Hatte Walter-Borjans das Glück des Tüchtigen?
Optendrenk: Als ehemaliger Regierungssprecher kennt er sich mit Kommunikation aus. Aber in der Haushaltspolitik muss man nicht nur gut erklären können, was Walter-Borjans unbestritten kann. Als Haushaltsminister muss er sich wirklich mit dem Haushalt befassen und gestalten.
Geben Sie ein Beispiel, wo er das nicht macht?
Optendrenk: Beispiel Minderausgaben beim Haushalt 2016, also das entgegen den Planungen nicht ausgegebene Geld. Da wurde eine für Personal eingeplante Milliarde nicht ausgegeben. Wenn man ihn aber fragt, woher kommt das, dann antwortet er sinngemäß nur: Das wüsste ich auch gern.
Und was ist Ihre Erklärung?
Optendrenk: Das Land hat vom Parlament riesige Einstellungsermächtigungen bekommen, insbesondere für neue Lehrer, Sozialpädagogen, Sicherheitskräfte. Aber die rot-grüne Landesregierung hat es nicht geschafft, diese Stellen zeitnah zu besetzen. Es gelingt uns als Land immer weniger, für den Öffentlichen Dienst die Stellen nachzubesetzen, die frei werden.
Was hilft da?
Optendrenk: Eine vernünftige Personalentwicklungsplanung, ein attraktiver Öffentlicher Dienst. Da ist Rot-Grün erschreckend mutlos. Das Land muss ein attraktiver Arbeitgeber sein, nicht nur hinsichtlich des Geldes, sondern auch von den Rahmenbedingungen her. Darum müssten sich der Innenminister und auch der Finanzminister kümmern. Der derzeitige Finanzminister beschäftigt sich aber immer nur mit der Kür, wenn ich mal ein Bild aus dem Eiskunstlauf verwenden darf.
Sie meinen zum Beispiel den Ankauf von Steuer-CDs zur Überführung von Steuerhinterziehern?
Optendrenk: Da möchte ich darauf hinweisen, dass der damalige CDU-Finanzminister Helmut Linssen veranlasst hat, die erste CD zu kaufen. Vieles, was Walter-Borjans da konsequent weitergeführt hat, halten wir für richtig. Wir unterstützen das, wünschen uns nur, dass er das nicht zu einem Schönheitswettbewerb aufbauscht. Er muss vor der Kür erst mal die Pflicht bestehen. Und das ist ganz und gar nicht so, wenn er selbst sagt, dass er die Schwarze Null beim Haushalt eher zufällig erreicht.
Walter-Borjans hat den Überschuss in den Abbau der Schulden gesteckt. Was hätten Sie getan?
Optendrenk: Der Überschuss beruht auf Einmal- und Sondereffekten. Beispielsweise bei der Integrationspauschale. Wir sind der Auffassung, dass die Mittel 2016, die für die Integration von Flüchtlingen erforderlich sind, ganz an die Kommunen hätten weitergegeben werden müssen.
Thema Grunderwerbsteuer. NRW liegt hier mit 6,5 Prozent mit einigen anderen Bundesländern bundesweit an der Spitze. Wollen Sie die senken?
Optendrenk: Wir wollen uns stärker um die Familien kümmern, es muss bezahlbar sein, Immobilien für die Altersvorsorge zu kaufen. Da tun die 6,5 Prozent weh. Wir wollen daher Wege finden, die Grunderwerbsteuer mittelfristig abzusenken.
Aber das hilft denen nicht, die zeitnah Immobilienerwerb planen.
Optendrenk: Wir treten dafür ein, dass es auf Bundesebene eine steuerliche Förderung junger Familien gibt, zum Beispiel durch ein Baukindergeld. Ebenfalls wollen wir einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer, der in der Höhe dem Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses entspricht. Das hat die CDU NRW auch beim CDU-Bundesprogramm durchgeboxt.
Die FDP ist da mutiger und fordert: 500 000 Euro Freibetrag für junge Familien bei der Grunderwerbsteuer.
Optendrenk: Eine interessante Idee. Aber dann müssen wir so ehrlich sein und sagen: Die Spielräume dafür müssen wir uns im Haushalt erst einmal wieder erarbeiten. Für uns gilt: Erwirtschaften vor Verteilen. Bei der Grunderwerbsteuer müsste man ganz andere, grundsätzliche Fragen angepackt werden.
Welche?
Optendrenk: Der private Hauskäufer ist der Grunderwerbsteuer, theatralisch gesagt, schutzlos ausgeliefert. Er kann ihr nicht entkommen. Wer jedoch gewerbliche Immobilien errichtet und vermietet, kann mit sogenannten „Share Deals“ die Grunderwerbsteuer vermeiden. Hier müssen Umgehungstatbestände deutlich erschwert werden.
Wie stehen Sie zu der Diskussion, Gewinne aus Geldanlagen nicht mehr pauschal mit 25 Prozent zu besteuern, sondern mit dem individuellen Steuersatz?
Optendrenk: Ob der individuelle Steuersatz über diesen 25 Prozent liegt, ist gar nicht gesagt. Mit allen Abschreibungsmöglichkeiten könnte der Steuersatz dann sogar unter diesen 25 Prozent liegen. Man kann gern zu dem ursprünglichen System zurückkehren, aber dann gibt es wieder wie vor 2009 alle Abschreibungs- und Verrechnungsmöglichkeiten. Die Vorstellung, dass der Fiskus dadurch mehr Geld bekommt, kann man in das Reich der Märchen verweisen. Vielleicht geht es in der Diskussion eher um „gefühlte Gerechtigkeit“ als um Steuereinnahmen.