Modellprojekt zur Inklusion: Selbstbestimmtes Wohnen — für alle

Unter Mitwirkung aller Beteiligter sollen binnen 18 Monaten Standards erarbeitet werden, damit Behinderte so wohnen können, wie sie wollen.

Das Recht, dort zu wohnen, wo sie wollen, ist für Behinderte nicht leicht umzusetzen. (Symbolbild)

Foto: dpa

Düsseldorf. Inklusion kann (in Nordrhein-Westfalen) auch ohne Streit gelingen — den Beweis dafür wollen die knapp 20 Beteiligten eines Modellprojekts erbringen, denen es um das selbstbestimmte Wohnen für Menschen mit Behinderung geht. Darunter die Stiftungen Wohlfahrtspflege NRW, Lebenshilfe NRW und Bethel, die Landschaftsverbände, mehrere Landesministerien und auch die Architektenkammer. Gestern stellten sie in Düsseldorf ihr Vorhaben vor, das die Wohlfahrtspflege mit 699.300 Euro finanziert.

Rund 45.000 Menschen leben derzeit in speziellen Behinderteneinrichtungen in NRW. Ihnen allen steht durch Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention das Recht zu, über ihren Wohnort frei zu bestimmen. Ein Recht, das ab 2020 durch das Bundesteilhabegesetz unterstützt werden soll, indem die Kosten für Wohnen, Lebensunterhalt und Behinderung getrennt bewilligt werden. Wie viele Menschen wirklich lieber im eigenen Zuhause wohnen wollen, ist nicht bekannt. Grobe Schätzungen der Verbände gehen von 10.000 bis 20.000 aus.

Dem Recht auf selbstbestimmtes Wohnen stehen in der Praxis freilich hohe Hürden im Weg: Es gibt schlichtweg zu wenig bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum. Investoren sind nur dann interessiert, wenn sie profitabel vermieten können. Hinzu kommen strukturelle Hemmnisse, die die nötige Unterstützung der Menschen erschweren. In der Regel werden (lieber) Immobilien mit 24 Plätzen finanziert und unterstützt — was oft genug an den Bedürfnissen und Rechten der Behinderten vorbeigeht, wie Stefan Helling-Voß, Geschäftsführer Bethel.regional, weiß.

Das auf 18 Monate angelegte Projekt „wohnen.selbstbestimmt“ setzt hier an, indem es alle Beteiligten ins Boot holt, darunter auch die Behinderten selbst, wie Herbert Frings, Geschäftsführer Lebenshilfe NRW, betont. In einer ersten Phase wird der Bestand erfasst — denn, so freut sich der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Wohlfahrtspflege, Günter Garbrecht: „NRW steht gar nicht so schlecht da.“ Besonders der Projektträger, die Stiftung Bethel, steuert praktische Erfahrungen bei. Die wissenschaftliche Begleitung übernimmt das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität Köln. Entwickelt werden sollen neue Wohn-Standards, die baurechtliche, finanzielle sowie Betreuungs-Aspekte berücksichtigen. Und die wiederum Empfehlungen für die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Landesrecht sein können.

Und noch eins ist Garbrecht wichtig: Dass ein Streit wie bei der schulischen Inklusion vermieden wird.