NRW-Wahlkampf: Alles nur Theater - „Sie oder Er? Die Wähler wollen’s wissen“
In zwei jeweils aufgezeichneten Sendungen stellen sich Ministerpräsident Rüttgers und Herausforderin Kraft den Bürgern.
Bonn. Gleich am Eingang des kleinen Theaters in Bonn gibt es ein gelbes Kärtchen. Manche Besucher erhalten auch ein blaues, einige ein rotes. Einleuchtend ist die Aufteilung nicht.
Doch zum Grübeln bleibt keine Zeit, denn eine junge Dame führt jeden sogleich zum farblich passenden "Counter" (wieso eigentlich nicht Schalter?), an dem die Kärtchen in Tickets umgetauscht werden.
Haupteingang Mitte, Reihe 4, Platz 116 - kein schlechter Platz für eine exklusive Vorführung. "Sie oder Er. Wähler wollen’s wissen", heißt das Ein-Personen-Stück mit zwei Komparsen (Moderatoren) und Hauptdarsteller Jürgen Rüttgers (CDU).
RTL und Sat1 haben an diesem Nachmittag den Ministerpräsidenten eingeladen, damit er sich rund 120 ausgewählten Bürgern aus ganz NRW stellen kann. Vergangene Woche durfte schon seine Herausforderin, SPD-Chefin Hannelore Kraft, an gleicher Stelle Rede und Antwort stehen.
Zwei aufgezeichnete Ein-Stunden-Sendungen, die die Privaten dem einzigen Fernsehduell der Kontrahenten (Montag live im WDR, 20.15 Uhr) vor der Landtagswahl am 9. Mai entgegensetzen wollen. Hier in Bonn haben es Rüttgers und Kraft einfacher, denn die interessierten Bürger mussten ihre Fragen vorab einreichen. Doch bevor sie ihre Fragen dann auch vortragen dürfen, gilt es erst einmal, Regularien abzuarbeiten.
Die freien Plätze in den vorderen Reihen müssen gefüllt werden. "Einige sind nicht gekommen", erklärt ein Vertreter der Sender, der den Chef-Animateur im Politclub mimt. Das Kamerabild müsse ja stimmen. Genauso wie die Stimmung der Besucher.
"Ihr seid ja alle gut drauf", ruft er und fordert mehrfach ein "explosionsartiges" Klatschen. Das kann man gar nicht oft genug proben. "Sie können noch mehr. Jaaaaa." Irgendjemand ruft "So ein Dompteur". Welcher Wähler denkt da noch an seine Frage?
Natürlich geht es um Hartz IV, um die Probleme von Alleinerziehenden, die mangelnde Pünktlichkeit des öffentlichen Nahverkehrs und kostenlose Kita-Plätze.
Die vielen jungen Besucher im Publikum haben vor allem Fragen zur Bildungspolitik auf ihren Kärtchen stehen. Gerade die künftige Weichenstellung - Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems oder Einführung der Gemeinschaftsschule - brennen den Schülern auf den Nägeln. Neues erfahren sie aber nicht.
Dennoch ist Peter Pohl, Moderator und Programmchef von Sat 1 NRW, zufrieden. Hannelore Kraft habe eine Woche zuvor mit einem sehr persönlichen Auftritt überzeugt, Jürgen Rüttgers habe inhaltlich gepunktet. Und die Besucher? Die freuen sich, im Fernsehen zu sein.