Reform der Lehrerausbildung: Pauker oder Pädagoge?
Der große Wurf lässt noch auf sich warten. Die Fachminister ringen um das Konzept.
Düsseldorf. Die NRW-Schulpolitik entwickelt sich rasant: Heute gibt es ein Abitur nach zwölf Schuljahren mit einer zentralen Prüfung, es gibt Sprachtests vor der Einschulung, die Grundschulbezirke stehen auf der Kippe, Ganztagsschulen gehören zum Alltag. Beschleuniger für diese Entwicklung war das schlechte Abschneiden der Schüler vom Pisa-Vergleichstest. Im Mittelpunkt standen immer die Schüler. Jetzt geht es um die Lehrer und vor allem um ihre Ausbildung.
Praxisfern, theoriebeladen, eigentlich nur ein Anhängsel im Uni-Betrieb - das ist der grausame Befund für das derzeitige Lehrerstudium. Tatsächlich monieren Experten, dass das Lehramtsstudium mit seiner Kombination aus Studium und zweijährigem Referendariat nicht mehr auf die aktuellen Anforderungen des Lehrerberufs vorbereitet: Denn da geht es um Konfliktlösung, um Krisenmanagement, um den Umgang mit Klassen, in denen manchmal Schüler aus mehr als zehn Nationen sitzen.
Dies konnte keiner ahnen, als in den 70er Jahren einerseits die Pädagogischen Hochschulen abgeschafft wurden, andererseits das Lehrerstudium zu einem "ordentlichen akademischen Grad" aufgewertet wurde - so die damals erklärten Reformziele. Didaktik und Pädagogik, also die Vermittlung von Wissen und der erzieherische Umgang mit Kindern und Jugendlichen, standen nicht mehr im Mittelpunkt der Ausbildung.
In NRW hatte schon die alte rot-grüne Landesregierung dieses Problem erkannt, sich aber vor einer Reform gedrückt. Anders die aktuelle schwarz-gelbe Koalition: Sie hatte vor zwei Jahren in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, die Lehrerausbildung zu reformieren - mit einem großen Wurf. Gutachten wurden eingeholt, eine Expertenkommission unter Führung des Berliner Professors Jürgen Baumert gab eine Empfehlung ab. Doch geschehen ist bisher noch nichts.
Die beiden Fachminister in NRW, Schulministerin Barbara Sommer (CDU) und Hochschulminister Andreas Pinkwart (FDP), ringen noch um den richtigen Weg. Ursprünglich wollten sie schon vor Wochen ein gemeinsames Konzept vorlegen. "Das hat sich verzögert, aber es kommt bald", hieß es aus dem Schulministerium. Aber es bleibe dabei: Mit dem Wintersemester 2008/2009 werde sich die Lehrerausbildung ändern. Das betrifft dann vor allem die Unis in Wuppertal, Dortmund, Bielefeld und Bochum, die sich der Lehrerausbildung verschrieben haben.
CDU-Fraktionschef Helmut Stahl hat sich mit einem eigenen Vorschlag zu Wort gemeldet, um die politische Hängepartei zwischen den Ministerien zu beenden. Sein Vorschlag hat den gleichen Kernpunkt wie Baumerts: Er will verbindlich einen konsekutiven Studiengang einführen - also ein sechssemestriges Bachelor-Studium und ein darauf aufbauendes viersemestriges Master-Studium. Und zwar für alle Lehrerberufe - von der Grundschule an aufwärts. Daran soll sich nach Stahls Vorstellungen ein zwölfmonatiger Vorbereitungssdienst anschließen. Für die Praxis-Erfahrung sollen während des Studiums "Lehrerbildungszentren" sorgen - was de facto einer Wiedereinführung der Pädagogischen Hochschulen gleichkäme.
Wer in NRW Lehrer werden will, benötigt schon vor dem ersten Unterricht starke Nerven. Denn die Unis bieten einen Flickenteppich verschiedener Lehramtsstudiengänge. An eine einheitliche, hochwertige Ausbildung ist nicht zu denken. Eine Reform ist also dringend nötig. Doch sie darf sich nicht nur auf die fachliche Ausbildung beschränken. Sie muss auch sicherstellen, dass angehende Pädagogen einer heterogenen Schülerschaft und steigenden Erwartungen an Unterricht und Erziehung gerecht werden. Das betrifft den Primar- genauso wie den Gymnasiallehrer. Deshalb sollte die Ausbildung für alle Schulstufen wissenschaftlich und gemeinsam sein - mit schulstufenbezogenen Schwerpunkten. Eine strikte Trennung wäre ein Rückfall in Zeiten, die andere Länder lange überwunden haben.