NRW: Gegenwind für Rüttgers
Mehr als 10 000 Beschäftigte protestieren gegen die Reformpläne der Landesregierung.
Düsseldorf. Die Gewerkschaften versprechen der schwarz-gelben Landesregierung einen heißen Herbst. Gestern demonstrierten mehr als 10 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gegen die geplante Reform des Landespersonalvertretungsgesetzes. "Die Reform ist ein Anschlag auf die Mitbestimmung", wetterte DGB-Landeschef Guntram Schneider.
Ein Mann mit einer Rüttgers-Maske und einer in einem Wolfs-Kostüm zersägten eine Holzplanke, auf der das Wort Mitbestimmung gepinselt ist - kostümierte Gewerkschafter nahmen auf der Kundgebungsbühne Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und Innenminister Ingo Wolf (FDP) aufs Korn. "Rüttgers blinkt links und biegt rechts um die Ecke. Er fährt einen Crash-Kurs gegen die Interessen der Bürger", sagte Schneider. Mit der Einschränkung der Mitbestimmung betreibe Rüttgers eine "ideologische Politik". Schneider erklärte, er sei vom selbst ernannten Arbeiterführer Rüttgers enttäuscht und verlangte einen "Politikwechsel". Das SPD-Mitglied Schneider hatte vor Monaten auf einem SPD-Landesparteitag offen einen Regierungswechsel gefordert - seither ist Eiszeit zwischen ihm und Rüttgers.
"Scharfrichter der Mitbestimmung" hieß es vor dem Landtag auf einem Plakat, gemeint war die FDP. Die hatte auch Verdi-Bundesvorsitzender Frank Bsirske im Visier, der eigens zu der Demonstration nach Düsseldorf gekommen war. "NRW ist der Probelauf für das ganze Land, um die Rechte der Arbeitnehmer zu schleifen. Das wird vor allem von der FDP betrieben." In NRW seien "Doktrinäre am Werk, die knallharte Ordnungspolitik betreiben", so Bsirske. Aus seiner Sicht gibt es ein umfangreiches schwarz-gelbes Sündenregister: Reform der Gemeindeordnung, die Polizeireform, neues Sparkassengesetz.
In der Tat war es eine bunte Mischung von Polizisten, Lehrern, Kindergärtnerinnen und Sparkassenangestellten, die sich vor dem Landtag versammelt hatte. Derweil ging drinnen die Verbändeanhörung über die Bühne. Dort gab es bis auf den Städte- und Gemeindebund keinen einzigen Befürworter für das neue Personalvertretungsgesetz.
Die massive Front der Ablehnung machte die Opposition munter. "Rote Karte für die Landesregierung", freute sich Michael Groschek, Generalsekretär der NRW-SPD. "Wir stehen an der Seite der Demonstranten", versicherte Sylvia Löhrmann, Fraktionschefin der Grünen. Schwarz-Gelb betreibe eine Politik der "Entdemokratisierung und Entsolidarisierung", so Löhrmann.
Führende Vertreter der Regierungskoalition zeigten sich einigermaßen erstaunt ob der Härte des Angriffs der Gewerkschaften. "Der Zug Richtung Privat vor Staat ist mit Volldampf unterwegs", sagte Gerhard Papke, Fraktionschef der FDP im Landtag. Er nannte die Reform der Mitbestimmung "moderat", die Vorwürfe der Gewerkschaften hingegen "maßlos". Ihnen gehe es in Wahrheit um eine Fundamentalopposition gegen die Landesregierung. Aus der CDU-Fraktion hieß es, den Berufsverbänden ginge es lediglich um "Besitzstandswahrung" ihrer eigenen Interessen.
Grundlage Das Landespersonalvertretungsgesetz regelt die Mitbestimmung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Es stammt aus dem Jahr 1974, ist zuletzt von der damaligen SPD-Landesregierung im Jahr 1994 geändert worden und gilt neben den Regelungen in Bremen als eines der am weitest gehenden.
Betroffene Nach Gewerkschaftsangaben sind von der Änderung rund 500 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst betroffen.
Einschränkungen Die Zahl der freigestellten Personalräte soll um 200 reduziert werden, alleine im Bereich der Schulen wären von 480 rund 160 Betroffen. Die Versetzung innerhalb einer Behörde könnte künftig ohne Abstimmung mit den Personalräten erfolgen. Deren Widerspruch- und Einspruchsrechte sollen künftig zudem auch an anderer Stelle eingeschränkt werden.