Landesregierung: Das rot-rote Schreck-Gespenst
Ministerpräsident Rüttgers fordert von der SPD eine klare Abgrenzung zur Linkspartei.
Düsseldorf. Jürgen Rüttgers zeigte sich erholt nach seinem Sommerurlaub in Südfrankreich: Er sei "gut gelaunt und gut drauf", verkündete der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gestern, als er sich mit einer Pressekonferenz aus der politischen Sommerpause zurückmeldete. Seine gute Laune wollte er sich auch nicht durch eine aktuelle Umfrage im Auftrag des WDR vermiesen lassen: Danach kommt die Linkspartei derzeit nicht nur auf sechs Prozent. Sie könnte auch gemeinsam mit SPD und Grünen die schwarz-gelbe Regierungskoalition ablösen, wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre.
Rüttgers sieht darin allerdings in erster Linie ein Problem der Sozialdemokraten. Diese rief er zu einer klaren Abgrenzung mit der neuen Kraft auf der Linken auf: "Wenn man sich der inhaltlichen Debatte nicht stellt, darf man sich nicht wundern, dass die Tore weit aufgemacht werden für eine solche Partei", betonte der Regierungschef. Die SPD müsse entlarven, was hinter dem "populistischen Gerede" der Linken stehe - dies sei die "Achillesferse" der Partei.
Dabei ließ er nicht die Chance ungenutzt, Spitzen in Richtung seiner politischen Herausforderin, der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Hannelore Kraft, abzuschießen: Wenn SPD-Bundesvorsitzender Kurt Beck als Linie ausgebe, sich von der Linken klar abzugrenzen, und sich die NRW-SPD nicht daran halte, gebe es offenbar "internen Klärungsbedarf". Kraft, die eine Koalition mit der Linkspartei auf Landesebene nicht ausgeschlossen hatte, reagierte prompt auf die Angriffe: Der Ministerpräsident habe nicht überspielen können, dass ihn die neuesten Umfragen "erkennbar nervös" machten, parierte sie.
Anhaltenden Spekulationen über schwarz-grüne Koalitionen vor dem Hintergrund einer stärker werdenden Linkspartei erteilte der Ministerpräsident eine Absage: Die schwarz-gelbe Koalition sei "die richtige Antwort" auf die politischen Herausforderungen. Es müsse daher nicht über "andere Modelle" nachgedacht werden.
Bei der Bildungspolitik grenzte sich Rüttgers erneut deutlich von der Opposition ab: Eine von SPD und Grünen geforderte Abkehr vom gegliederten Schulsystem kommt für ihn weiterhin nicht in Frage: Dies wäre ein "Experiment auf dem Rücken der Kinder", warnte Rüttgers und betonte: "Das führt zu zehn Jahren Chaos an den Schulen in NRW." Es gebe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine solche "Enheitsschule" die Probleme im Bildungssystem löse.
Rüttgers setzt daher auf Reformen innerhalb des bestehenden Systems, insbesondere auf eine Stärkung der Haupt- schulen: Geplant sind ein Ausbau des Ganztagsangebots und ein stärkerer Praxisbezug im Unterricht, um die Chancen auf eine Lehrstelle zu verbessern.
Ausbildung Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) schlägt vor, mit einem Teil der Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit bundesweit 20 000 staatlich finanzierte Ausbildungsplätze zu schaffen. Davon sollen 4000 in NRW entstehen. Für das Sonderprogramm sollen über drei Jahren hinweg 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Profitieren sollen insbesondere Jugendliche, die seit einem Jahr und länger nach einer Lehrstelle suchen.
Steinkohle-Ausstieg Das Land wird durch den geplanten Ausstieg aus dem Steinkohle-Bergbau rund 1,5 Milliarden Euro sparen. Diese Summe stehe nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Bund fest. Laut dem Kompromiss stellt das Land 2014 seine Subventionszahlungen ein, der Bund im Jahr 2018.
WestLB Die Landesregierung hat nach Worten von Rüttgers einen Investmentbanker beauftragt, sie bei den Verhandlungen über die Zukunft der WestLB zu beraten. Rüttgers mahnte, dass eine dauerhaft tragfähige Lösung gefunden werden müsse. Dies könne nicht "die erstbeste" Lösung sein. Die Landesregierung will sich von ihren 38 Prozent Anteilen an der Bank trennen. Im Gespräch sind eine Fusion mit der Landesbank Baden-Württemberg, ein Holding-Modell und ein Verkauf an einen privaten Investor. Laut Finanzminister Helmut Linssen (CDU) soll noch in diesem Monat eine Vorentscheidung fallen.
Haushalt Rüttgers will sich nicht auf eine Jahreszahl festlegen, wann die Landesregierung einen ausgeglichenen Haushalt vorlegt. Ziel sei eine langfristige Konsolidierung bei gleichzeitigen Investitionen in Bildung und Innovation. Im Etat 2008 ist eine Neuverschuldung von rund 1,9 Milliarden Euro geplant.
Ministerpräsident Rüttgers macht es sich zu leicht, wenn er das Erstarken der Linkspartei zum alleinigen Problem der SPD erklärt. Dies stimmte, solange die neue Partei den Sozialdemokraten Stimmen wegfischte und zugleich unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde verharrte. Mit einem Einzug in den Landtag würde sie zur Gefahr für Schwarz-Gelb. Zugegeben - die Partei ist in NRW noch nicht gegründet, und Umfragen sind Momentaufnahmen. Rüttgers sollte den Trend aber ernst nehmen und reagieren, anstatt von eigenen Problemen abzulenken - indem er mit einer stringenten Politik seine Umfragewerte steigert.