Rot-Grüner Koalitionsvertrag: „9.37 Uhr, klasse! Wir haben fertig!“

Die Nachricht kam per Twitter: Nach einem Verhandlungsmarathon waren sich SPD und Grüne einig. Es gibt ein neues Ministerium und mehr Nichtraucher-Schutz.

Düsseldorf. Die Erleichterung, aber auch die Erschöpfung war den Teilnehmern beider Verhandlungsseiten anzusehen: Bei einem 16-stündigen Verhandlungsmarathon hatten sich SPD und Grüne in der Nacht Dienstag endgültig zusammengerauft, dann am frühen Morgen in der sogenannten großen Runde den 200 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag abgesegnet. Grünen-Vorstandsmitglied Janosch Dahmen verkündete seine Freude umgehend via Mobiltelefon: „9.37 Uhr, klasse! Wir haben fertig!“, twitterte er in die Welt.

Bei den Verhandlungsführerinnen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) klang das Ganze dann am Mittag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages etwas nüchterner: Es sei „ein guter Koalitionsvertrag, kein Formelkompromiss“, sagte Kraft, Löhrmann sprach von „fairen Kompromissen“.

Als einen der wichtigsten Bestandteil des Vertrages nannte Kraft die Einhaltung der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 und das Einsparen von einer Milliarde Euro bis zum Jahr 2017. Diese Einsparungen will Rot-Grün unter anderem durch das Zusammenlegen von Verwaltungsstandorten im Bereich des Finanz-, Justiz- und Innenministeriums erzielen. Allerdings betonte Kraft, die Forderung der Grünen nach Einsparung von 2000 Stellen bei der Polizei sei „vom Tisch“. Weitere Details nannte sie nicht.

Nach Informationen unserer Zeitung soll insbesondere die Zusammenlegung beziehungsweise der Abbau kleinerer Finanzämter und auch von Amtsgerichten untersucht werden. Die Einnahmen will Rot-Grün unter anderem durch höhere Gebühren bei der Justiz sowie eine neue Abgabe für Kiesgrubenbetreiber verbessern.

Beim bis zuletzt heftig umstrittenen Neuzuschnitt der Ministerien einigte sich Rot-Grün auf einen Kompromiss: Aus dem bisherigen Mammut-Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr von Minister Harry K. Voigtsberger werden zwei eigenständige Ministerien — eines für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie eines für Wirtschaft, Energie, Mittelstand und Handwerk. Die Zuständigkeit für erneuerbare Energien bleibt jedoch weiterhin im Umweltministerium von Johannes Remmel (Grüne). Allerdings soll die Energiewende über alle Ministerien hinweg „koordinierend“ von der Staatskanzlei von Hannelore Kraft begleitet werden. „Die Energiewende bleibt Chefinnen-Sache“, betonte Kraft. Insbesondere will Rot-Grün 250 Millionen Euro in die Kraft-Wärme-Kopplung investieren und bis zum Jahr 2025 mindestens 30 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien decken.

Beim Ladenöffnungsgesetz wollen Kraft und Löhrmann die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage begrenzen. „Für uns beginnt der Sonntag am Samstag ab 22 Uhr“, betonten beide Politikerinnen. Allerdings werde man „in begründeten Ausnahmefällen“ an Samstagen ein „Late-Night-Shopping“ ermöglichen. An den bisherigen Öffnungszeiten von Montag bis Freitag will Rot-Grün weiter festhalten.

Für die Grünen war wichtig, dass der Koalitionsvertrag die Verabschiedung eines konsequenten und rechtssicheren Nichtraucherschutz-Gesetzes vorsieht. Insbesondere soll dabei das Rauchen auch in den sogenannten Eckkneipen verboten werden. Das Gesetz soll nach der Sommerpause eingebracht werden.

Bei der Inklusion, dem gemeinsamen Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung, wollen SPD und Grüne weiter investieren, zahlreiche Fortbildungen durchführen. Angestrebt wird auch eine Ausbildungsgarantie. Sie soll mit der Wirtschaft ausgehandelt werden und dafür sorgen, dass weniger Jugendliche in die Warteschleife geraten. Dadurch wiederum sollen 500 Lehrerstellen an Berufskollegs eingespart werden.

Am Freitag soll der Vertrag auf Parteitagen von SPD und Grünen abgesegnet werden. Die offizielle Vertragsunterzeichnung ist für den folgenden Montag geplant. Zwei Tage später soll Ministerpräsidentin Kraft dann im Düsseldorfer Landtag wiedergewählt werden. Erst danach will sie die personelle Besetzung ihres Kabinetts bekanntgeben.