Einzelunterbringung Strafvollzug in NRW: Droht der Kollaps?
Die CDU warnt, dass das Recht der Inhaftierten auf Einzelunterbringung die Plätze knapp werden lässt.
Düsseldorf. Den „schlagartigen Kollaps des nordrhein-westfälischen Strafvollzugs“ sagt Jens Kamieth, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag voraus. Für den Fall nämlich, dass die Strafgefangenen ihren seit Anfang des Jahres geltenden Rechtsanspruch auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum geltend machen. Das Problem sei bislang nicht so drängend, weil viele Strafgefangene dieses Recht offenbar nicht kennen.
Der neue § 14 des NRW-Strafvollzugsgesetzes sieht vor, dass „Gefangene während der Ruhezeit in ihren Hafträumen allein untergebracht“ werden. Eine gemeinsame Unterbringung gibt es nur bei Suizidgefahr, bei hilfsbedürftigen Gefangenen oder wenn die Gefangenen die gemeinsame Unterbringung beantragen. Außerdem kann es aus „zwingenden Gründen der Anstaltsorganisation“ eine Zusammenlegung von Gefangenen geben — aber nur vorübergehend.
Vor diesem Hintergrund warnt Kamieth davor, dass Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) Haftanstalten an fünf Standorten schließen will. Dieser hatte im Februar angekündigt, dass Standorte in Coesfeld, Willich/Krefeld, Willich/Mönchengladbach, Duisburg-Hamborn und Dinslaken aufgegeben werden sollen. Begründung: Die Anzahl der Verurteilten sei nach der Strafverfolgungsstatistik von 187 579 im Jahr 2004 auf 162 973 im Jahr 2013 deutlich gesunken. Von den 17 629 belegbaren Haftplätzen in den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes seien im März 16 341 belegt gewesen.
Die Zahlen scheinen nahezulegen: Es sind noch genug Plätze frei, da kann man ruhig einige Standorte schließen — zumal nach der Rechnung des Justizministeriums unter dem Strich nur 168 Haftplätze abgebaut würden.
Für die CDU geht diese Rechnung jedoch nicht auf. Angesichts des durch das Strafvollzugsgesetz vorgegebenen Regelprinzips der Einzelunterbringung fehlen nach Berechnungen der CDU-Fraktion 715 Hafträume im Land. Vor diesem Hintergrund seien die Schließungspläne des Justizministeriums „realitätsfremd“.
Sven Wolf, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, betont hingegen: „Vor Jahren gab es noch massive Überbelegungen in NRW-Haftanstalten, davon sind wir inzwischen wieder weit entfernt.“ In NRW bestehe ein Puffer von rund 1500 freien Haftplätzen. Es gelte das Prinzip: „Wir verwalten keine Überkapazitäten.“
Die CDU-Opposition hingegen hat den Verdacht, „dass durch den Abbau von Haftplätzen schlichtweg Geld eingespart werden soll, das zur Finanzierung personeller Mehrbedarfe benötigt werde, die das rot-grüne Strafvollzugsgesetz ausgelöst hat“. Hintergrund dieser Argumentation sind Neuregelungen im Strafvollzugsgesetz, die durchaus Personal binden dürften. Wie etwa eine vorgeschriebene detaillierte Behandlungsuntersuchung oder ausführliche Vollzugspläne für jeden Gefangenen. Dass all das Personal binden wird, liegt nahe. Und das vor dem Hintergrund, dass die Vollzugsbediensteten schon jetzt über hunderttausende Mehrarbeitsstunden klagen, die weder durch Freizeit noch finanziell abgegolten würden. Dies jedenfalls kritisiert der Bund der Strafvollzugsbediensteten im Gesetzgebungsverfahren und warnte vor den Kosten der neuen Regeln. Diese führten zu einem Personalmehrbedarf, der aber nicht vorgesehen sei.
Die SPD kann die Aufregung nicht verstehen. Noch einmal deren rechtspolitischer Sprecher Sven Wolf: „Das Land wird kleinere und alte Anstalten in den kommenden Jahren schließen. Dafür setzt die Landesregierung die Mitarbeiter in anderen Einrichtungen ein und nimmt viel Geld in die Hand, um alte Anstalten zu modernisieren. Dann hat das Land mehr Personal für die Arbeit mit den Inhaftierten und deren zeitgemäße Unterbringung.“