Politik Inklusion an Schulen in NRW: Das ist der neue Plan der Landesregierung

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will die Qualität beim gemeinsamen Lernen verbessern. Mehrere Maßnahmen sollen das gewährleisten. Aber es gibt auch Kritik.

Schulministerin Yvonne Gebauer.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. „Das Chaos hat ein Ende“, sagt Frank Rock, schulpolitischer Sprecher der CDU im NRW-Landtag. Und lobend fasst er mit Blick auf das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung (Inklusion) zusammen, was Schulministerin Yvonne Gebauer vom Koalitionspartner FDP da auf den Weg gebracht habe: „Nach den Jahren des Chaos wird die Inklusion in unserem Land endlich in geordnete Bahnen gelenkt.“

Auch Gebauer selbst kritisiert die Vorgängerregierung, die an der Aufgabe gescheitert sei, Standards für die Inklusion zu definieren. Rot-Grün sei es mehr um Quote als um Qualität gegangen. Das werde man ändern. Entsprechende Standards sollen jetzt, gut ein Jahr nach ihrem Amtsantritt, gesetzt werden. Freilich nicht mit sofortiger Wirkung, sondern beginnend mit dem Schuljahr 2019/2020.

Dabei steht Gebauer ausdrücklich zum Ziel des Menschenrechts Inklusion: „Eltern von Kindern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung soll bei der Schulwahl auch weiterhin ein Platz an einer allgemeinen Schule angeboten werden.“ Gleichzeitig sollen aber, so Gebauers Plan, die Förderschulen nicht zum Auslaufmodell werden. Das soll dadurch erreicht werden, dass gegenüber den bisherigen Regelungen die Mindestgrößen für solche Schulen herabgesetzt werden. Damit werden weniger Förderschulen schließen müssen, als von der Vorgängerregierung angestrebt. Derzeit gibt es in NRW noch 471 Förderschulen. „Wer über Inklusion redet, muss auch über Förderschulen sprechen“, sagt Gebauer. „Für mich sind das die zwei Seiten einer Medaille, wenn es darum geht, alle Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu fördern und für sie den bestmöglichen Förderort zu finden.“

Bei den Schulen hingegen, an denen ein gemeinsames Lernen (Inklusion) stattfindet, soll eine stärkere Bündelung der Angebote für eine Verbesserung der Qualität sorgen. Das soll so gehen: Die Schule muss ein pädagogisches Konzept zur inklusiven Bildung haben. Es müssen Lehrkräfte für die sonderpädagogische Förderung unterrichten, das Kollegium muss systematisch fortgebildet werden.

Und es gilt an der Sekundarstufe 1 die neue Inklusionsformel 25 — 3 — 1,5. Das bedeutet: Die Schulen nehmen so viele Schüler auf, dass sie Eingangsklassen bilden können, in denen durchschnittlich 25 Schüler lernen, davon durchschnittlich drei mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. Für jede dieser Klassen erhält die Schule dann eine halbe zusätzliche Stelle. Das ist weniger, als Lehrer- und Elternverbände gefordert hatten, die pro Klasse einen zusätzlichen Sonderpädagogen wollten.

Bis zum Schuljahr 2024/2025 stehen nach der vom Schulministerium gemachten Modellrechnung an den weiterführenden Schulen insgesamt 9133 Stellen zusätzlich (also über die normale Schüler/Lehrer-Relation hinausgehend) zur Unterstützung für das gemeinsame Lernen zur Verfügung.

Die Grundschulen sollen mit zusätzlichen Ressourcen für eine bessere Inklusion unterstützt werden. Mit dem Haushalt 2018, so die Schulministerin, hätten die Grundschulen bereits 600 zusätzliche Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte erhalten. Damit liege die Gesamtzahl nun bei 1193 Stellen. Ein weiterer Ausbau der Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte um knapp 600 Stellen zur Unterstützung und Stärkung der Grundschulen im kommenden Jahre sei bereits fest vereinbart.

Jochen Ott, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kritisiert, dass durch die Pläne das System der Förderschule zementiert werde. Das fördere nicht die Inklusion, sondern die Ausgrenzung. Durch den Behalt und die flächendeckende Versorgung mit Förderschulen würden Ressourcen gebunden, die an inklusiv arbeitenden Schulen dringend benötigt würden. Ott kritisiert auch, dass es an Gymnasien Sonderregelungen geben soll: „Hier ist kein inklusiver Unterricht bindend vorgeschrieben.“ Damit schränke die Landesregierung das Recht der Eltern ein, eine Schule frei zu wählen.

Auch Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, beklagt: „Schon heute erleben Schulen des gemeinsamen Lernens, dass insbesondere sonderpädagogische Fachkräfte massiv abgezogen und an Förderschulen abgestellt werden. Das sind keine Eckpunkte zur Förderung der Inklusion, das ist Politik zur Stärkung der Förderschulen.“