Tatort Internet – im Wettlauf mit den Tätern
Experten schlagen Alarm: Die Kriminalität im Netz ist weiter auf dem Vormarsch.
Berlin. Als die ersten Automobile auf den Straßen rollten, war die Begeisterung groß. Dann setzte sich die Erkenntnis durch, dass es ganz ohne Verkehrsregeln und Autokennzeichen nicht geht. Mit diesem Vergleich versuchte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, am Mittwoch deutlich zu machen, warum er für "Verkehrsregeln" im Internet ist und warum seine Behörde auf die umstrittenen Vorratsdaten - also auf die ohne Anlass gespeicherten Internet- und Telefondaten - angewiesen sei. Laut BKA ist die Computerkriminalität weiter auf dem Vormarsch.
Anfang März hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Will die Bundesregierung den Ermittlern künftig ermöglichen, auf solche gespeicherten Daten zurückzugreifen, muss ein neues Gesetz her. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sah hierfür bislang - im Gegensatz zu Innenminister Thomas de Maizière (CDU) - keinen Grund zur Eile.
Der BKA-Präsident hält diese Daten aber für unverzichtbar, um zu ermitteln, wer hinter den IP-Adressen steckt. Die IP-Adressen der Computer hätten dieselbe Funktion wie die Nummernschildern von Autos. Zierckes Unverständnis darüber, dass es nach dem Urteil aus Karlsruhe keine Übergangslösung gibt, ist groß: "Die derzeitige Sicherheitslücke muss geschlossen werden."
Kritiker der Vorratsdatenspeicherung führen an, die Ermittler könnten doch nach wie vor auf die Daten zugreifen, die die Telekommunikationsunternehmen ohnehin für eigene Zwecke sammeln. Ziercke hält das aber nicht für ausreichend: "Der Zugriff auf so genannte Verkehrsdaten oder Abrechnungsdaten der Provider ist davon abhängig, ob und wie lange der einzelne Provider sie speichert." Und bei Pauschalverträgen (Flatrates) würden keine Abrechnungen mehr erstellt.
Ziercke befürchtet, die Ermittler könnten gegenüber den weltweit tätigen, intelligenten und gut vernetzten Tätern weiter ins Hintertreffen geraten. 2009 wurden 50.000 Fälle von Computerkriminalität in Deutschland gemeldet - das ist im Vergleich zu 2008 ein Anstieg von 33 Prozent. Hinzu kommt ein Dunkelfeld. Nicht jeder bemerkt den Angriff auf seinen Computer. Und Firmen scheuen eine Anzeige, weil sie fürchten, ihr Ruf könne leiden.