Rundfunkbeitrag Warum ARD und ZDF immer teurer, aber nicht besser werden

Zwischen den Sender-Chefs und etlichen Landespolitikern zeichnet sich eine Allianz ab, den Rundfunkbeitrag trotz einer Experten-Empfehlung nicht zu senken. Denn langfristig steigen die Kosten weiter, weil die Sender nicht sparen und die Politik nicht gestalten will.

Experten empfehlen eine Senkung des Rundfunkbeitrags, dennoch wird daraus wohl nichts werden. (Symbolfoto)

Foto: Arno Burgi

Mainz. Ginge es nach den Experten, dann würde der Rundfunkbeitrag ab Januar 2017 um 30 Cent auf monatlich 17,20 Euro sinken. Denn die „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten“ (KEF) hat die Gebührenwünsche von ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Jahre 2017 bis 2020 von 38,5 Milliarden Euro als leicht übertrieben eingestuft und rund eine Milliarde gestrichen. Weil durch die Umstellung der alten GEZ-Gebühr auf den „Rundfunkbeitrag“ zudem viel mehr Geld eingenommen wurde, als die Sender ausgeben dürfen, könnte der Beitrag sinken.

Dieser Bericht liegt der Rundfunkkommission der Bundesländer seit dem 13. April vor. Seitdem eiern Ministerpräsidenten, Medienpolitiker und vor allem die Sender argumentativ mit dem Ziel durch Öffentlichkeit, die 30-Cent-Senkung zu vermeiden und noch mehr Rücklagen zu bilden. Denn alle Beteiligten wissen: Nach 2020 wird der Finanzbedarf massiv steigen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht grundlegend reformiert wird. Dazu fehlt ARD und ZDF jeglicher Wille. Gleichzeitig schwant der Politik, dass sie künftig weitere Erhöhungen nicht mehr gegen den Bevölkerungswillen durchsetzen kann.

Seit 41 Jahren entscheidet die 16-köpfige KEF alle paar Jahre darüber, was die Deutschen Monat für Monat an die frühere GEZ zu bezahlen haben, den „Beitragsservice“ von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Formal stimmen zwar die Landtage über den Rundfunkbeitrag ab, aber weil das Bundesverfassungsgericht die „Staatsferne“ der KEF sicherstellen wollte, dürfen die Parlamente von den KEF-Empfehlungen nur noch abweichen, wenn sie die „Sozialverträglichkeit“ des Beitrags anzweifeln.

Wie weit es mit der „Staatsferne“ der KEF her ist, mag man daraus ersehen, dass sie in Mainz unter der Adresse der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei am Rheinufer sitzt. Um seinen Gebührenbericht an die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder zu übergeben, musste der KEF-Vorsitzende Heinz Fischer-Heidlberger nur ein paar Türen weiter um einen Termin bitten. Denn Kommissionsvorsitzende ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). In ihrer Staatskanzlei soll demnächst eine Arbeitsgruppe der Länder Reformen „prüfen“; es gibt weder einen Zeitplan noch ein Ziel, von der Streichung mehrerer Wellen und Spartenkanäle bis zum Werbeverzicht ist alles dabei. Ein klarer Gestaltungswille ist nicht erkennbar.

Alle 16 KEF-Mitglieder sind von den Bundesländern ernannt. Klügere Bundesländer entsenden Finanzkontrolleure ihrer Landesrechnungshöfe. Andere frühere Mitarbeiter ihre eigenen Landesrundfunkanstalten. NRW entsendet einen Diplom-Journalisten, der früher auf der WDR-Gehaltsliste stand und nun darüber mitentscheidet, wie viel Geld der WDR erhält. Er ist zugleich Geschäftsführer eines Dortmunder Instituts für Journalismus-Forschung, das für die NRW-Landesmedienanstalt (LfM) Studien erstellt, so zuletzt im Februar 2016. Die LfM wird ebenfalls aus dem Rundfunkbeitrag finanziert.

Die KEF beurteilt weder die Programmqualität von ARD und ZDF noch beurteilt sie, ob der Umfang der in Landesgesetzen festgeschriebenen Programmaufträge gerechtfertigt ist. Sie prüft lediglich, ob die Sender in diesem Rahmen „im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ handeln. Regelmäßige Antwort: Nein, das tun sie nicht.

Aus dem aktuellen KEF-Bericht geht im Gegenteil hervor, dass das Programm keineswegs besser, aber immer teurer wird. So habe der Programm-Anteil wirklich neuer Sendungen in den vergangenen Jahren weiter abgenommen. Für die ARD liegt er derzeit noch bei 62 Prozent, für das ZDF wenig besser bei 62,7 Prozent, die dritten Programme der ARD kommen jedoch nur noch auf 32,8 Prozent Erstausstrahlungen.

Preisfrage: Wenn die Erstsendungen weniger werden und die Wiederholungen zunehmen — wieso steigen dafür die Kosten? Antwort: Weil diese Wiederholungen auf immer mehr Kanälen immer häufiger gesendet werden. Im Vergleich zu 2005 hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk laut KEF im vergangenen Jahr seine Programmleistung um 325.161 Sendeminuten erhöht. Gleichzeitig hat er 74.277 Erstsendeminuten weniger produziert. Die Kostensteigerung dient einer Ausbreitung ohne neue Inhalte. Und so soll es nach dem Willen der Sender weitergehen. Im Online-Bereich sollen die Ausgaben von 791,2 auf 916,3 Millionen Euro (für die Jahre 2016-2021) steigen — ein Plus von 15,8 Prozent.

Seit Jahren mahnt die KEF zudem an, die Sender mögen ihre aktuellen Personalkosten und die üppigen Zusatz-Renten für Mitarbeiter endlich herunterfahren. Bei der ARD würden Personaleinsparungen „nahezu ausschließlich beim BR und beim WDR erbracht“. Beim ZDF dienten Stellenstreichungen gerade einmal „der Korrektur der eigenen Fehlsteuerungen der Jahre 2007 bis 2010“.

Darüber hinaus planten die Sender jedoch bereits wieder Umschichtungen von Programm- und Sachaufwand hin zum Personalaufwand: „Damit würden dauerhafte feste Stellen geschaffen.“ Bei ihren Altersversorgungen schieben ARD, ZDF und Deutschlandradio derzeit eine Deckungslücke von rund 2,2 Milliarden Euro vor sich her und haben immer noch keine Regelungen gefunden, die Ein- und Auszahlungen miteinander in Einklang bringt.

Hinzu kommen Investitionen, deren Sinn sich außerhalb der Anstalten kaum jemandem erschließt. Seit mehr als 30 Jahren träumt die ARD vom digitalen Rundfunk im sogenannten DAB-Standard. Vor acht Jahren strich die KEF wegen offenkundiger Erfolglosigkeit das Geld. Statt den Wahnsinn zu beenden und im Internet-Zeitalter anzukommen, verlegten sich die Anstalten auf die Weiterentwicklung zu DAB+.

Die KEF vermerkt im aktuellen Bericht: „Es ist festzustellen, dass lediglich zehn Prozent der Haushalte mindestens einen DAB+-Empfänger besitzen (6,4 Millionen Geräte von 194 Millionen Hörfunkempfängern insgesamt).“ Und die KEF glaubt auch nicht mehr, dass es gelingt, die UKW-Verbreitung „vor Ende 2028“ einzustellen.

Die FAZ sprach jüngst von DAB+ als einer „digitalen Ruine“ und stellte nüchtern fest: „Das Radio wird seinen Charakter als autarke Mediengattung, die ihre exklusiven Inhalte mit eigener Technik auf eigenen Kanälen verbreitet, verlieren. Das letzte große Hindernis für einen Übergang ins Internet ist die Lösung für den Betrieb im Auto, die den Verbrauchern keine zusätzlichen Kosten aufbürdet.“

Doch vorerst gehen die teuren Doppel-Investitionen weiter. Die KEF macht den Anstalten nun Vorgaben, die sie bis 2019 erreichen sollen: Eine Bund/Länder Entscheidung über die UKW- Abschaltung, eine von allen Marktpartner getragene Nutzungs-Ermittlung, DAB+-Radios als Serienausstattung bedeutender Automobilhersteller und eine Haushalts-Geräteabdeckung von mindestens 27 Prozent. Das war’s, aber bis dahin kostet es weiter Millionen.

Bei ihrer Einführung 1954 betrug die Fernsehgebühr D-Mark. Sie wurde erstmals 1970 um 1,50 Mark erhöht. Seitdem werden die Abstände immer kürzer und die Kosten explodieren. Noch 1990 lag die GEZ-Gebühr bei umgerechnet 9,71 Euro; seitdem hat sich nahezu verdoppelt.

Die NRW-Landesregierung hat sich bereits gegen die von der KEF empfohlene Gebührensenkung ausgesprochen. Sie hat dem WDR eine Kompensation seiner Einnahmeverluste versprochen, wenn der ab 2017 nur noch 75 Minuten und ab 2019 nur noch 60 statt heute 90 Minuten Hörfunkwerbung pro Werktag senden darf.

Was der WDR seinerseits tun will, um weitere echte Einsparungen zu erreichen, ist unbekannt. Der Sender versteigert im Sommer zunächst seine Kunstsammlung (48 Bilder, Schätzwert: drei Millionen Euro), die er noch zu GEZ-Zeiten als Dekoration für Mitarbeiter-Büros angeschafft hatte. Die Versteigerung erfolgt bei Sotheby’s in London. Da spart man die deutsche Mehrwertsteuer.