Politik Wer Flüchtlingen hilft, soll für sie haften — oder nicht?
Das Oberverwaltungsgericht Münster entscheidet, ob sich Behörden von ihnen gezahlte Sozialleistungen zurückholen können.
Düsseldorf. Wer bürgt, wird gewürgt — sagt der Volksmund. In diesem Fall sind die Gewürgten diejenigen, die sich für Flüchtlinge verbürgt hatten und nun bezahlen sollen. Zwar kann das NRW-Integrationsministerium nicht sagen, wie viele Fälle dieser Art es gibt. Doch immer wieder werden sie bekannt — die Konstellationen, dass Menschen zur Kasse gebeten, werden, weil sie eine Verpflichtungserklärung für Flüchtlinge abgegeben hatten. Und dann zur Erstattung von Sozialleistungen aufgefordert werden, die den Flüchtlingen gewährt worden waren. Am Freitag wird dazu das Oberverwaltungsgericht Münster ein wichtiges Urteil fällen.
In einem der zur Entscheidung stehenden Fälle hatte sich ein Mann gegenüber dem Leverkusener Ausländeramt verpflichtet, für den Lebensunterhalt zweier Syrer aufzukommen. Er sollte 1706,55 Euro an das Jobcenter zahlen, das dieses für Sozialleistungen an die Syrer ausgegeben hatte. Dagegen wehrte er sich, verlor aber vor dem Verwaltungsgericht Köln. Dessen Urteil ficht er nun in Münster an.
In diesem wie in anderen Fällen geht es um die grundsätzliche Frage: Auch wenn sich Menschen zum Einstehen für die Flüchtlinge verbürgt haben — wie lange soll das eigentlich gelten? Bis der Flüchtling irgendwann ausreist? Oder nur so lange, bis er behördlich einen Aufenthaltsstatus bescheinigt bekommt? In dem behördlich verwendeten Vordruck für die Verpflichtungserklärung heißt es, dass die Dauer der Verpflichtung „bis zur Beendigung des Aufenthalts des Ausländers oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck“ gilt.
Nun war es in Fällen syrischer Flüchtlinge regelmäßig so, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft zugestand. Ab der daraufhin erteilten Aufenthaltserlaubnis müsse er nicht mehr haften, argumentierte denn auch der Bürge in dem Leverkusener Fall. Das Verwaltungsgericht Köln sah das anders: Er habe sich verpflichtet, den Lebensunterhalt der beiden Syrer für die gesamte Dauer ihres bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen. Andernfalls würden nämlich der Allgemeinheit die Kosten des Lebensunterhalts übertragen.
Das NRW-Innenministerium hatte die Sache im April 2015 unter dem damaligen Minister Ralf Jäger (SPD) noch anders gesehen. In einem Erlass an Bezirksregierungen und Ausländerbehörden regelte der Minister, dass die Geltung einer Verpflichtungserklärung endet, wenn nach erfolgreichem Asylverfahren „der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt wird“. Dass Bundesbehörden dies anders sehen könnten — auch darauf wies das Innenministerium aber damals hin. Und hier geht es um Rückzahlungsansprüche der Bundesagentur für Arbeit. Was nun gelten soll, muss das Oberverwaltungsgericht entscheiden.
Der mittlerweile statt Jäger für Flüchtlingsfragen zuständige Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) kann zwar seine Entscheidung nicht an die Stelle des Gerichts setzen, sagt aber so viel: „Soziale Gerechtigkeit bedeutet, nicht noch diejenigen zu bestrafen, die sich mit ihrem Engagement um das Gemeinwohl der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht haben“. Die Sozialleistungsträger müssten konsequent jeden Einzelfall prüfen.