Merkel bekommt vor EU-Gipfel Druck aus Paris
Brüssel/Berlin/Paris (dpa) - Unmittelbar vor dem Brüsseler EU-Gipfel ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unter Druck geraten. Frankreichs Präsident François Hollande fordert, die umstrittene Bankenaufsicht bis Jahresende unter Dach und Fach zu bringen.
Berlin bremst bei diesem Thema.
Der Sozialist machte in einem Interview mehrerer europäischer Zeitungen auch deutlich, dass er einen neuen EU-Vertrag frühestens nach den Europawahlen 2014 anstrebt. Von Finanzminister Wolfgang Schäuble waren hingegen rasche Vertragsänderungen ins Spiel gebracht worden, um die Eurozone zu stärken.
Die EU-Staats- und Regierungschefs werden von diesem Donnerstag an in Brüssel vor allem darüber debattieren, wie die angeschlagene Eurozone dauerhaft gegen Angriffe der Finanzmärkte geschützt werden kann. Dazu gehört als Kernstück die Bankenaufsicht.
Diplomaten erwarten keine längeren Krisendebatten zu Griechenland. Die „Chefs“ wollten Premier Antonis Samaras aber Mut machen, die zähen Verhandlungen mit der Geldgeber-„Troika“ abzuschließen. Ohne neue Hilfszahlungen der Europartner droht dem Krisenland die Pleite.
Merkel stellte sich hinter den Vorstoß Schäubles für tiefgreifende Reformen in Europa. Er hatte einen Konvent für Vertragsänderungen noch in diesem Jahr vorgeschlagen. Zu der Forderung nach Stärkung des EU-Währungskommissars äußerte sich Merkel jedoch nicht. Ob Änderungen der EU-Verträge nötig seien, werde erst im Dezember entschieden, hieß es aus Regierungskreisen. Merkel will ihre Position am Donnerstag in einer Regierungserklärung darlegen.
Schäubles Sprecher Martin Kotthaus bestritt massive Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Frankreich. Die Zusammenarbeit sei eng und vertrauensvoll. Auch beim Thema Bankenaufsicht gebe es „keinen großen Unterschied“. Beide Seiten wollten die gemeinsame Bankenaufsicht so schnell wie möglich. Allerdings könne dies nicht von heute auf morgen umgesetzt werden.
Die „Chefs“ werden Druck bei der Aufsicht für die Eurozonen-Banken machen. Die Gesetzgebung soll bis zum Jahresende abgeschlossen werden, heißt in es einem neuen Entwurf für die Gipfel-Abschlusserklärung. Das sei eine „vordringliche Angelegenheit“. Wann die Aufsicht genau starten wird, geht aus dem Dokument, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, nicht hervor.
Hollande erneuerte in dem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, „Le Monde“ und anderen Zeitungen seine Forderung nach einer teilweisen Vergemeinschaftung der Schulden durch sogenannte Eurobonds. Gemeinsame Anleihen der Euroländer werden von Berlin strikt abgelehnt. Der Herr des Élysée-Palasts fordert zudem, die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom Juni rasch in die Tat umzusetzen. Damals war beschlossen worden, dass der neue Rettungsschirm ESM maroden Banken direkt Finanzspritzen geben kann - die genauen Bedingungen dafür sind aber immer noch heftig umstritten.
Hollande sagte laut „Le Monde“ mit Blick auf einen neuen EU-Vertrag und eine mögliche Volksabstimmung in seinem Land: „Bevor man sich in die institutionelle Mechanik begibt, müssen die Europäer wissen, was sie gemeinsam machen wollen.“ Das Vorhaben einer „politischen Union“ habe Zeit bis nach den Europawahlen 2014. Auch London zeigt sich skeptisch. „Eine solche Diskussion braucht Zeit“, sagte der britische Europaminister David Lidington dem Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstag) mit Blick auf Vertragsänderungen. Diese müssen einstimmig beschlossen werden.
In deutschen Regierungskreisen hieß es, die wirtschaftspolitische Abstimmung in Europa müsse besser werden. Angestrebt würden verbindliche Vereinbarungen statt unverbindlicher Empfehlungen. Auch ein Anreizsystem für Reformen sei denkbar, etwa finanziert aus der neuen Finanztransaktionsteuer. Der Gipfel werde auf der Basis des Zwischenberichts von Ratspräsident Herman Van Rompuy und anderen die Themen identifizieren, die vertieft werden müssten. Dabei geht es beispielsweise um Reformideen wie ein gemeinsames Budget für die Eurozone und individuelle Reformverträge für Eurostaaten. Mit seinen Reformvorschlägen will Schäuble dem Währungskommissar mehr Macht verleihen und mit so viel Einfluss ausstatten, wie ihn der Brüsseler Wettbewerbshüter hat. So soll dieser künftig stärker als bisher in die Budgetplanung der Mitgliedsstaaten eingreifen können und allein entscheiden, ob er den Haushalt eines Landes zurückweist.
Der Gipfel endet am Freitag. Zum Abschluss ist eine Debatte über die Krisen in Syrien, Mali und Iran geplant.