Merkel offen für Mindestlohn
Arbeitgeber und FDP lehnen die Pläne der Union ab. Sie befürchten den Abbau von Arbeitsplätzen.
Berlin. Nein, von einer neuen Solisten-Kehrtwende der Kanzlerin und Parteichefin will in der CDU-Spitze niemand sprechen. Anders als bei der Abschaffung der Wehrpflicht, dem Atomausstieg oder in der Bildungspolitik (Hauptschulabschluss) sei der Anstoß für den nächsten Kursschwenk aus der Mitte der Partei gekommen — und nicht von Angela Merkel oder anderen CDU-Granden, wird in der Führungsetage betont.
Doch der Vorsitzenden dürfte das Thema, das sich tatsächlich seit Monaten etwa auf CDU-Regionalkonferenzen entwickelt hat und nun in einen Parteitagsbeschluss münden soll, sehr recht kommen: Mit einer Entscheidung für einen flächendeckenden Mindestlohn könnte die Kanzlerin mit einem Gerechtigkeitsthema auch beim nächsten Bundestagswahlkampf punkten — und so den Sozialdemokraten einen wichtigen Angriffspunkt nehmen. „Die Bundeskanzlerin sieht es so, dass es hier um die Würde der Arbeit geht“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.
Nach langer Ablehnung peilt die CDU branchenübergreifende Mindestlöhne an, die von einer Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern festgelegt werden sollen. Das sieht ein von Merkel unterstützter Antrag für den Parteitag in zwei Wochen vor. Die Untergrenze soll sich am Tarifniveau der Zeitarbeit orientieren. Dort liegt der Mindestlohn bei 6,89 Euro in Ostdeutschland und bei 7,79 Euro im Westen.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte die Pläne schwer nachvollziehbar. Ein Mindestlohn in dieser Höhe könne eine „erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen“ vernichten. Dem widerspricht jedoch eine bislang unveröffentlichte Studie. Im Auftrag des Arbeitsministeriums hatten Forscher acht Branchen untersucht, in denen bereits Mindestlöhne gezahlt werden. Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler gab es dadurch keine nennenswerten Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen.
Kritik an den Plänen kommt aus NRW: Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) und IG Metall-Bezirkschef Oliver Burkhard nannten den Vorstoß unzureichend. Der Unternehmerverband NRW bezeichnete die Pläne als „Angriff auf die Tarifautonomie“. Auch der Koalitionspartner zeigte sich skeptisch. FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte, Union und FDP hätten in ihrem Koalitionsvertrag einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ausgeschlossen: „Das gilt für die FDP weiter fort.“