Nordirland: Angst vor neuem Gewaltausbruch
Bei der traditionellen Parade am Samstag in Londonderry drohen neue Provokationen.
Befast. Lange sah es so aus, als sei in Nordirland Ruhe eingekehrt. Zwar gab es immer wieder kleinere Zwischenfälle, der Friedensprozess aber schien auf gutem Wege. Doch seit einigen Wochen rumort es wieder kräftig.
Selbst die Polizei befürchtet mittlerweile, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein könnte, bis die Katastrophe passiert und in Nordirland wieder Menschen sterben. Am Samstag steht in Londonderry eine der traditionellen Paraden der Großbritannien-treuen Protestanten an.
Bei diesen Märschen treten auch regelmäßig katholisch geprägte Republikaner auf, die Nordirland als Teil der Republik Irland sehen möchten. Konfrontationen mit der Polizei scheinen programmiert, denn in den vergangenen Monaten kam die Region kaum zur Ruhe.
Bislang verlief alles glimpflich. Doch schon mehrmals hätte es ein Blutbad geben können. Wie Anfang August in Londonderry: Ein Mann sprang in ein Taxi - bepackt mit kiloweise Sprengstoff. Mit der Pistole zwang er den Fahrer, ihn zur Polizeistation zu bringen. Dort explodierte die Bombe in der Nähe eines voll besetzten Restaurants. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Der Mann gehörte zu einer der katholisch geprägten Splittergruppen, die ihr Ziel trotz aller Friedensbemühungen weiter mit Gewalt verfolgen. Nordirland soll in ihrer Weltsicht nicht mehr länger zu Großbritannien, sondern zur Republik Irland gehören.
Rund 30 ähnliche Anschläge und Attacken wurden in diesem Jahr bislang gezählt. Im Juli lieferten sich junge Republikaner Straßenkämpfe mit der Polizei von einer Brutalität, wie es sie zuletzt auf dem Höhepunkt des Konfliktes gegeben hatte.
Dass der Frieden auf der Kippe steht, scheint zwar unwahrscheinlich, doch was genau hinter den Kulissen läuft, um die Gewalt einzudämmen, ist undurchsichtig. Der stellvertretende Chef der nordirischen Regionalregierung, Martin McGuinness, spricht von Geheimgesprächen der irischen und britischen Regierung mit den Terroristen.
Aus London und Dublin kamen umgehend Dementis. "Man kann keine bedeutenden Gespräche mit Menschen führen, die friedliche Mittel ablehnen", sagte Owen Paterson, Nordirland-Minister der britischen Regierung.