Norweger bauen auf ihre Demokratie
Fast ein Jahr nach den furchtbaren Anschlägen sehen die Bürger ihr Land und Zuwanderer positiver.
Oslo. Fußballer der dritten Liga sollen Ergebnisse abgesprochen haben, Osloer fühlen sich durch Bettler aus Osteuropa gestört. Das kleine skandinavische Land dümpelt im Juli mit lau klingenden Neuigkeiten vor sich hin, während die Menschen Ferien machen. So war es auch vor einem Jahr, als am 22. Juli eine Explosion im Zentrum von Norwegens Hauptstadt einen Alptraum in Gang setzte, den niemand für möglich gehalten hatte.
Die Autobombe im Regierungsviertel und das folgende Massaker durch den Islamhasser Anders Behring Breivik auf der Insel Utøya kosteten 77 Menschen das Leben. Neben Verzweiflung und Trauer vieler hundert Angehöriger und Überlebender sind die Spuren des beispiellosen Verbrechens auch äußerlich weiter unübersehbar: Das schwer beschädigte Hochhaus im Regierungsviertel ist weiter verwaist. Ob es abgerissen wird, ist offen.
Verblüffendes über die Spuren der Anschläge in den Köpfen der Norweger hat der Politikwissenschaftler Ottar Hellevik nun mit einer Umfrage präsentiert: „Der Anteil derjenigen ist gestiegen, die zufrieden sind mit dem Funktionieren unserer Demokratie.“
Das Vertrauen in die norwegische Gesellschaft habe zugenommen, erklärt Hallevik und ergänzt: „Mehr Menschen als vorher meinen, dass Zuwanderer zu größerer kultureller Vielfalt beitragen und nicht so sehr, dass sie Wohlfahrtsleistungen ausnutzen.“ Auch habe sich die Haltung zu islamischen Glaubensgemeinschaften positiv entwickelt. Das Gegenteil hatte der 33 Jahre alte Attentäter mit seinen grausamen Taten erreichen wollen.
Die Umfrage scheint zu bestätigen, dass die Aufforderung von Ministerpräsident Jens Stoltenberg zu „noch mehr Demokratie und Humanität“ als Reaktion auf das Verbrechen Früchte trägt — statt Hass und Kälte in der Gesellschaft. Der Regierungschef selbst warnt aber vor zu schnellen Schlüssen: „Es geht hier um Trauer, Schmerz, Tod und Leiden. Aus all diesem Furchtbaren kann nicht einfach Gutes kommen.“
Dass das Land bei der Aufarbeitung der Breivik-Anschläge zentrale Fragen vielleicht doch nicht so klar beantwortet hat, wie es scheint, meint der Schriftsteller Jan Kjærstad. Der Attentäter sei schnell als „einsamer Kerl aus dem Osloer Westen“ abgestempelt worden. Für unbeantwortet hält Kjærstad die Frage, ob Breivik nicht vielleicht doch warnendes Beispiel ist für „einen Typen Menschen, von dem wir mehr sehen könnten“: Junge Männer, geprägt von „Frustration und Zorn in einem augenscheinlich gut funktionierenden Norwegen“?