Der Anschlag von Berlin Opposition in NRW will Fall Amri zum Thema im Landtag machen
Anis Amri soll gut in Nordrhein-Westfalen vernetzt gewesen sein. Leben dort Hintermänner des mutmaßlichen Attentäters von Berlin? Die Opposition in dem Bundesland dringt auf Klarheit.
Düsseldorf/Berlin. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag verlangt Aufklärung über die Aktivitäten des mutmaßlichen Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri in Nordrhein-Westfalen. Die Fraktionen von CDU, FDP und Piraten beantragten am Donnerstag eine Sondersitzung des Innenausschusses des Landtages gleich zu Beginn des neuen Jahres. Das Schreiben an Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) liegt der Deutschen-Presse Agentur vor.
Nordrhein-Westfalen war einer Hauptaufenthaltsorte Amris, in dem Bundesland liegt auch die für ihn zuständige Ausländerbehörde. Amri galt als „Gefährder“, dem ein Anschlag zugetraut wurde, verschwand aber vom Radar der Behörden.
Der 24-Jährige war den Ermittlungen zufolge am Montag vor Weihnachten mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gefahren. Zwölf Menschen starben, 55 wurden verletzt. Nach offiziellen Angaben werden 20 Verletzte noch immer in Krankenhäusern behandelt, elf von ihnen auf der Intensivstation.
Auf seiner Flucht wurde Amri in Italien von Polizisten erschossen. Ermittler nahmen am Mittwoch in Berlin einen möglichen Kontaktmann des Tunesiers fest. Zum Hergang der Tat und zur Fluchtroute sind noch immer viele Fragen offen.
„Wenn die Enthüllungen stimmen, dass ein ausreisepflichtiger terroristischer Gefährder, der den Behörden bekannt ist, sich völlig frei bewegen und in radikalen Moscheen im Ruhrgebiet ungestört Hass predigen kann, dann ist dies der absolute Tiefpunkt von sechs Jahren rot-grüner Innenpolitik in NRW, der jetzt schonungslos aufgeklärt werden muss“, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet. Nach WDR-Recherchen soll Amri im Ruhrgebiet deutlich besser vernetzt gewesen sein als bislang angenommen.
Den möglichen Kontaktmann Amris in Berlin nahmen die Ermittler vorläufig fest. Bis Donnerstag werde geprüft, ob Haftbefehl beantragt wird, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Ihren Angaben zufolge hatte Amri die Telefonnummer des 40-jährigen Tunesiers in seinem sichergestellten Handy gespeichert. Der Festgenommene könnte in den Anschlag mit dem Lastwagen eingebunden gewesen sein.
Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR aus Ermittlerkreisen verhinderte ein automatisches Bremssystem des Fahrzeugs Schlimmeres. Der Lkw kam demnach nach 70 bis 80 Metern zum Stehen, weil die Zugmaschine mit der Technik ausgerüstet war, die auf einen Aufprall reagiert und von selbst die Bremsen betätigt. Dadurch seien nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen Leben gerettet worden. Nach dem Anschlag war spekuliert worden, ob der eigentliche Lkw-Fahrer aus Polen, der tot auf dem Lkw-Beifahrersitz gefunden wurde, dem Attentäter ins Lenkrad gegriffen und so noch Schlimmeres verhindert hatte.
Wie das Recherchenetzwerk weiter berichtet, soll Amri nur wenige Minuten vor der Tat im Führerhaus des Lastwagens mit einem Glaubensbruder gechattet haben. Amri schrieb dem Bericht zufolge: „Mein Bruder, alles in Ordnung, so Gott will. Ich bin jetzt im Auto, bete für mich, mein Bruder, bete für mich.“ Dann habe er noch ein Selfie von sich aus dem Lkw verschickt.
Auch „Spiegel Online“ berichtete, Amri habe wenige Minuten vor dem Anschlag noch Sprachnachrichten und Fotos verschickt. Unter den Empfängern soll laut „Focus“ der 40-jährige Tunesier gewesen sein, der am Mittwoch in Berlin festgenommen wurde.
Der Anschlag hat in Deutschland eine Debatte über schärfere Gesetze, mehr Überwachung und mögliches Behördenversagen ausgelöst. Grundsätzlich hätten der Anschlag und der Umgang der Behörden mit Amri „das Potenzial, sich zu einem Desaster für die Sicherheitsbehörden von der Qualität des Nichterkennens der NSU-Terrorzelle zu entwickeln“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, der Zeitung „Die Welt“ (Donnerstag). dpa