Parteitag: Gabriel will Schwarz-Gelb die Mitte streitig machen
Die SPD wählte den 50-Jährigen mit einer überwältigenden Mehrheit von 94,2 Prozent zum neuen Vorsitzenden.
Dresden. Fast sieben Wochen nach dem Debakel bei der Bundestagswahl hat sich die SPD aus der Schockstarre gelöst und die alte Parteiführung hinter sich gelassen.
Bei ihrem Parteitag in Dresden wählte sie den Ex-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel am Freitag Abend mit überraschend guten 94,2 Prozent zum Nachfolger von SPD-Chef Franz Müntefering.
Die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft wurde mit 90,2 Prozent zu einer der vier Stellvertreter Gabriels ernannt. Sie erhielt damit die meisten Stimmen der Stellvertreter-Kandidaten. Andrea Nahles wurde mit 69,6 Prozent zur neuen SPD-Generalsekretärin gewählt.
In einer von den Delegierten gefeierten, kämpferischen Rede hatte Gabriel zuvor für die Sozialdemokraten die politische Mitte in Anspruch genommen und sich dagegen verwahrt, dass die SPD von Union und FDP in "die linke Ecke" gestellt wird.
"Schwarz-Gelb will nicht, dass wir über das bessere Gesellschaftsbild in der Mitte ringen", sagte Gabriel und fügte hinzu: "CDU/CSU und FDP - das ist die demokratische Rechte in diesem Land." Die neue Bundesregierung setze sich nur für die Freiheit des Einzelnen ein und sehe in jedem Bürger ausschließlich den Steuerbürger. "Solidarität und Verantwortung für andere - Fehlanzeige!"
Am Vormittag hatte der scheidende SPD-Vorsitzende Müntefering den bis zum Sonntag andauernden Parteitag eröffnet. Seine Abschiedsrede war mit Spannung erwartet worden, doch die von einigen Funktionären befürchtete Generalabrechnung mit innerparteilichen Kritikern unterblieb weitgehend.
Stattdessen übte sich der 69-Jährige in Selbstkritik: "Wir waren für zu viele die von gestern’, außer Mode", erklärte er die Niederlage vom 27. September. "Wir waren für die Wähler kein Feindbild. Aber wir waren nicht interessant."
Der Kongress verabschiedete den scheidenden Vorsitzenden mit Applaus, sparte aber in der anschließenden Debatte nicht mit harscher Kritik am Führungsstil der alten Parteiführung.
Ein Scherbengericht blieb zwar aus, doch die Kritik war ungewöhnlich scharf. Viele Genossen ließen ihrem Frust auch über die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik während der elfjährigen SPD-Regierungszeit freien Lauf.