Provokative Kampagne: Und Jan Hofer geht doch zur Wahl
Zahlreiche Prominente rufen in einem Internetvideo zunächst zum Boykott auf, erregen dadurch Aufmerksamkeit – und appellieren nun eindringlich: Geh hin!
Berlin. Friedrich Küppersbusch wusste schon zu "Zak"-Zeiten im WDR, wie man das Scheinwerferlicht der Medien dahin lenkt, wo es ansonsten düster bleibt: durch Provokatiönchen. Der für seinen Sarkasmus bekannte Ex-TV-Moderator und heutige Fernsehproduzent hat seinen Stil beibehalten.
Gemeinsam mit der Internetplattform politik-digital.de hat er sich nun eines Themas angenommen, das seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 Gesprächsstoff erzeugt: Kommt Wahl, kommt Wahlmüdigkeit. Und Wahlabstinenz.
Die Zahl derer, die ihr demokratisches Recht ausüben wollen, ob im Bund oder in der Ländern, sinkt stetig. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Zahl der Nichtwähler verdoppelt. 2002 blieb jeder fünfte Wahlberechtigte zu Hause, anstatt "die da" nach Berlin zu wählen; insgesamt fast 13 Millionen Bürger.
Küppersbusch macht so was Angst - und daher drehte er ein Video. Tenor: "Was immer Sie am 27. September tun, tun Sie es nicht aus Versehen!" Vor einigen Tagen kam es raus, bewusst lanciert im heimlichen Fernsehsender Nummer eins, dem Internetkanal YouTube. Darin zu sehen: deutsche Prominenz.
Allerseits riefen die Herrschaften dazu auf, die nächste Bundestagswahl überall zu verbringen - nur bitte nicht an der Wahlurne. Lohnt eh nicht. Bringt doch nix, die üblichen Begründungen halt. Tagesschausprecher Jan Hofer ließ sich gar mit ernster Miene und dem Satz zitieren: "Also, Sie werden mir das ja vielleicht nicht glauben, aber ich gehe nicht wählen."
Das saß. Oops? Hofer? Ein Anti-Wähler? Die Reaktionen waren erstaunlich. Über 130.000 Mal wurde der 1-Minüter inzwischen angeklickt. Gut 1.000 Kommentare sind geschrieben worden; darunter der eines SPD-Bundestagsabgeordneten, der zum Tagesschau- und damit Jan Hofer-Boykott aufrief.
Hofer hält sich aber, wie er am Dienstag bei der Vorstellung der Kampagne sagte, nach eigenen Worten beileibe nicht für so "extrem bescheuert", als dass er tatsächlich der Partei der Nichtwähler das Wort hätte reden wollen. Achtung! Das Video war eben nur der erste Teil eines Provokatiönchens. Die Auflösung kam am Dienstag. In einem zweiten Film, besetzt mit den gleichen Stars und Sternchen, wägen die Pseudo-Nichtwähler das Für und Wider ab, um sich am Ende zu einem klaren "Geh hin!" zur Wahl zu bekennen.
Warum? Ralf Richter, Kino- und Fernsehfachmann fürs Grobkörnige, sagt es so: "Man muss ja nicht die Bekloppten wählen." Über die Resonanz des ersten, auf Ironie gebauten Videos zeigten sich Küppersbuschs Mitstreiter am Dienstag noch immer verwundert.
Schließlich ist die Idee abgekupfert; im weitesten Sinne bei Barack Obama. In dessen Wahlkampf hatten Promis wie Leonardo DiCaprio oder Demi Moore ebenfalls zum Nichtwählen aufgerufen, später, im Verlauf des Videos, aber ihre eigentliche Botschaft platziert: Geht wählen! In Deutschland braucht man für so was zwei Anläufe.
Wenn’s hilft, wär’s ja gut. Denn: Schenkt man den Demoskopen Glauben, dann könnte sich der Negativ-Trend der Wahlenthaltung am 27. September ungebremst fortsetzen.