Rainer Brüderle:„Reformdruck auf Athen muss bleiben“
Rainer Brüderle, der Spitzenkandidat der FDP, über Schuldenpolitik und die Zukunft Griechenlands in der Euro-Zone.
Herr Brüderle, die FDP plakatiert: Keine neuen Schulden, keine neuen Steuern. Vor vier Jahren war ihre Partei noch für etwas, nämlich für Steuersenkungen. Warum plötzlich so bescheiden?
Rainer Brüderle: Wenn man keine neuen Schulden will, ist das eine ambitionierte Aussage. Wir haben in den letzten vier Jahren die Menschen um 22 Milliarden Euro entlastet — durch Steuer- und Beitragssenkungen und die Abschaffung der Praxisgebühr. Ja, wir wollten mehr. Aber wir mussten auch 90 Milliarden Euro für den europäischen Rettungsfonds ESM aufbringen. Und wir mussten den maroden Haushalt, den Rot-Grün und Rot-Schwarz mit dem Finanzminister Peer Steinbrück hinterlassen hatten, sanieren. Das ist uns gelungen. Und trotzdem werden wir im nächsten Jahr einen strukturell ausgeglichen Etat vorlegen.
Trotzdem — Minimalziel bleibt Minimalziel.
Brüderle: Moment. Die SPD will die Bürger mit 38 Milliarden Euro zusätzlich belasten, die Grünen wollen den Menschen sogar 42 Milliarden Euro mehr aufbürden. Bei unseren politischen Gegnern läuft also alles in die andere Richtung.
Das gilt aber auch für die Union, die schon Mehrausgaben von rund 30 Milliarden Euro beschlossen hat.
Brüderle: Das belegt: Wer keine neuen Steuern und keine neuen Schulden will, muss FDP wählen.
Wieder an Fahrt gewonnen hat die Debatte um weitere Griechenlandhilfen. Muss man dem Wähler nicht vor der Wahl klar sagen, was da noch auf ihn zukommt?
Brüderle: Keiner glaubt, dass die Probleme Griechenlands Ende 2014 bereits alle erledigt sein werden. Aber wir sollten erst prüfen, wie die bisherigen Maßnahmen gewirkt haben und was noch zu tun ist. Die Griechen haben eine ganze Reihe von Reformen umgesetzt. Niemand kann heute seriös vorhersagen, was gegebenenfalls an weiteren Programmen nötig sein wird. Ich halte auch nichts davon, durch verfrühte Debatten den Reformdruck auf Griechenland abzuschwächen.
Hat Griechenland eine Zukunft im Euro?
Brüderle: Ich glaube schon, aber das entscheidet allein Griechenland. Das Land muss die Reformen konsequent umsetzen und endlich auch zu einer seriösen Besteuerung kommen. Was mich ärgert, ist, dass in Griechenland tatsächlich noch viele Reiche angeblich immer noch steuerfrei gestellt sind. Es ist nicht in Ordnung, wenn die Oberschicht einen Großteil ihres Geldes aus dem Land schafft und Europa den griechischen Sozialstaat finanzieren soll.
Derzeit wird der Wahlkampf auch von der Lage in Syrien überschattet. Sollte sich Deutschland an einer militärischen Intervention beteiligen?
Brüderle: Die Lage in Syrien ist sehr ernst. Es ist wichtig, dass die UN jetzt vor Ort sind. Ich möchte über möglicherweise nötige Maßnahmen nicht spekulieren. Wir sollten uns eng mit unseren Partnern abstimmen.
Chaos in Ägypten, in Libyen, jetzt in Syrien, ist der arabische Frühling gescheitert?
Brüderle: Das will ich nicht hoffen. Demokratisierungsprozesse laufen nicht über Nacht. Deutschland engagiert sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bei der Stabilisierung und dem Aufbau einer Zivilgesellschaft in diesen Ländern. Und das möchte die christlich-liberale Koalition fortsetzen.