Report: Stimmen vom Kölner Hauptbahnhof Tage danach

Köln (dpa) - Reisende mit Rollkoffern hetzen durch die Bahnhofshalle, Touristen mit Rucksäcken strömen hinaus Richtung Dom. Sie bleiben stehen, knipsen die Kathedrale, die sich vor ihnen auftürmt, oder posieren für Selfies.

Foto: dpa

Eigentlich ist alles wie immer.

Wären da nicht die vier Übertragungswagen mitten auf dem Bahnhofsvorplatz. Reporter des belgischen Fernsehens sind da, ebenso die „Tagesschau“.

Drei einsame Blumentöpfchen mit weißen Primeln stehen auf der Domtreppe und lassen sich nassregnen. Daneben hat jemand auf einen Zettel geschrieben: „Solidarität mit den Opfern der Übergriffe in der Silvesternacht. So etwas darf sich NICHT wiederholen!“

Inzwischen wird wieder gekichert im Bahnhof. Eine Gruppe Mittfünfzigerinnen ist aus dem Ruhrgebiet mit dem Zug nach Köln gekommen. Die Frauen bleiben zwei Tage in Köln, besuchen eine Karnevalssitzung. Sie trinken Schnaps, die Stimmung ist ausgelassen.

Angstraum Hauptbahnhof? Fehlanzeige. „Wir haben das ausgeblendet“, sagt eine Frau, die als Kinderriegel verkleidet ist. Aber ihre Ehemänner zu Hause, die nicht. „Wir mussten versprechen, dass keine von uns allein durch den Bahnhof läuft.“ Doch man dürfe sich auch nicht verrückt machen lassen, sagt sie und nimmt einen Schluck aus ihrem Plastikbecher.

Polizisten sind tagsüber wenige zu sehen. Reporter, Fotografen und Kameramänner sind in der Überzahl. Sollte irgendjemand nichts von den sexuellen Übergriffen und Diebstählen in der Silvesternacht mitbekommen haben, es würde ihm sonst vermutlich nichts Besonderes auffallen.

Marita Schröder ist Pendlerin. Jeden Tag passiert sie den Bahnhof und den Vorplatz auf ihrem Weg in die Kölner Innenstadt. Für sie habe sich nichts geändert. „Angst habe ich keine. Hier passiert so schnell bestimmt nicht noch mal was“, sagt die 48-Jährige.

Mit Einbruch der Dunkelheit erhöht sich die Polizeipräsenz. Mannschaftswagen rollen vor, mehrere Beamte positionieren sich in der Bahnhofshalle. Bundespolizisten patrouillieren durch die Gänge.

Eine 34-Jährige zeigt sich davon unbeeindruckt. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Was hier Silvester passiert ist, ist absolut furchtbar. Das will ich nicht kleinreden“, sagt die Kölnerin, die ihren Namen nicht nennen will. „Aber so etwas passiert doch auch an unserem angeblich so schönen Karneval. Da werden wir Frauen ständig befummelt. Und dann sind es keine Horden von Nordafrikanern, sondern Einheimische.“