RWE siegt im Streit um Biblis-Stilllegung
Land Hessen und Bund drohen Schadenersatzzahlung in Milliardenhöhe.
Leipzig. Die vorübergehende Abschaltung des hessischen Atomkraftwerks Biblis im Jahr 2011 ist rechtswidrig gewesen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig teilte am Dienstag mit, die Beschwerden des Landes Hessen gegen ein gleichlautendes Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichtshofs (VGH) seien zurückgewiesen worden, das Urteil vom vergangenen Februar sei damit rechtskräftig. Damit drohen Hessen Schadenersatzforderungen des Versorgers RWE. Das Urteil bezieht sich aber nur auf das dreimonatige Moratorium (Az. BVerwG 7 B 18.13).
Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima hatte das Land auf Betreiben des Bundes angeordnet, dass die beiden Blöcke in Biblis vorübergehend abgeschaltet werden. Der VGH gab später einer Klage von RWE statt und warf Hessens Umweltministerium Versäumnisse bei der Umsetzung des Moratoriums vor. So sei RWE nicht angehört worden. Die Biblis-Blöcke wurden nach den drei Monaten wie sechs weitere Meiler dauerhaft vom Netz genommen. Seither laufen nur noch neun AKW, die bis 2022 schrittweise vom Netz gehen sollen. Als nächstes steht 2015 die Stilllegung von Grafenrheinfeld (Bayern) an.
Die anderen AKW-Betreiber Eon und Vattenfall hatten seinerzeit auf Klagen gegen das Moratorium von Bund und Ländern verzichtet, wohl auch, um Restchancen auf einen Fortbetrieb zu erhalten. Eon und RWE haben gegen die anschließende dauerhafte Stilllegung beim Bundesverfassungsgericht geklagt, der schwedische Konzern Vattenfall bei einem US-Schiedsgericht. Im schlimmsten Fall drohen Bund und Ländern Schadenersatzzahlungen in zweifacher Milliardenhöhe. Wann über die Klagen entschieden wird, ist unklar.
In Hessen gibt es seit kurzem eine schwarz-grüne Koalition. Die hessische SPD warf der scheidenden und damals zuständigen Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) Versagen vor. Sie habe bei der vorläufigen Stilllegung der Biblis-Blöcke haarsträubende Fehler gemacht, sagte der atompolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Norbert Schmitt. Es müsse geprüft werden, ob das Land nun persönliche Schadenersatzansprüche gegen sie geltend machen könne.
Die Grünen im Bundestag sehen eine Mitschuld bei der damaligen Bundesregierung. Sie habe sich bei ihrem Moratorium ein Hintertürchen offen halten wollen und den Ländern als Begründung für das Moratorium „nur eine schlechte Pauschal-Vorlage mit Wische-Waschi-Begründung“ gegeben, kritisierte die atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl. Grünen-Chefin Simone Peter sagte: „Die Steuerzahler werden jetzt mit der Rechnung für den Zick-Zack-Kurs der schwarz-gelben Atompolitik konfrontiert.“ dpa