Berlin. Wenn ein Satz illustrieren müsste, wie breit der Fluss ist, den CDU/CSU und FDP überqueren müssen, um zueinander zu finden, dann dieser: "Bundesinnenminister Schäuble entwickelt sich immer mehr zu einer echten Gefahr für die Bürgerfreiheiten." Gesagt hat ihn kurz vor der Wahl die Frau, die demnächst eines der wichtigsten Identitätsthemen der FDP - die Innen- und Rechtspolitik samt Bürgerrechten - in den Koalitionsverhandlungen für eine schwarze-gelbe Regierung hochhalten wird: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Auf die 58-Jährige, die in der Regierung Helmut Kohl Justizministerin war und 1995 aus Protest gegen den Großen Lauschangriff zurücktrat, wartet das vielleicht spannendste Comeback auf bundespolitischer Bühne. Sie wird voraussichtlich wieder das Justizressort übernehmen. Und damit nach Lage der Dinge energische Widersacherin einer Rechts- und Innenpolitik, die unter rot-grüner und zuletzt rot-schwarzer Führung nach dem Gefühl der FDP "die Privatspähre der Bürger, den Kern ihrer Freiheit" zusehends ausgehöhlt hat.
Im Wahlprogramm der Liberalen ist das Kapitel über die Bürger- und Freiheitsrechte das zweitlängste; nach dem zur Marktwirtschaft. Autorin: Leutheusser-Schnarrenberger. Wer es liest, kann erahnen, wo das FDP-Verhandlungsteam demnächst ansetzen wird: keine gesperrten Internet-Seiten. Keine Vorratsdatenspeicherung. Keine Ausweitung der nachträglichen Sicherheitsverwahrung für Straftäter. Keine Einschränkung des Zeugnisverweigerungsrechts. Kein Ausbau staatlicher Abhörmaßnahmen. Keine Wiedereinführung der Kronzeugenregelung. Kein Gesetz, das den Besuch von Terrorcamps unter Strafe stellt. Und: Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern. Allesamt Forderungen, die der Union mehr oder weniger Bauchschmerzen bereiten.
Die Juristin aus Bayern weiß dabei altliberales Urgestein an ihrer Seite. Gemeinsam mit Gerhart Baum und Burkhard Hirsch hat sie zuletzt mehrmals erfolgreich das Bundesverfassungsgericht in Stellung gebracht: 2004 gegen den Großen Lauschangriff in seiner Ur-Form. 2006 gegen das Luftsicherheitsgesetz, bezogen auf den Abschuss von durch Terroristen gekidnappten Passagierflugzeugen. 2008 gegen die Onlinedurchsuchung von Computern, wie sie ausgerechnet in dem von FDP-Innenminister Ingo Wolf zu verantwortenden NRW-Verfassungsschutzgesetz steht.
Noch unklar ist, wie weit Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle die absehbaren Auseinandersetzungen treiben lassen wird. Zuletzt erweckte er den Eindruck, er selbst sei der erste Garant gegen den "Sicherheitswahn". Aber auch er weiß, dass die Union allenfalls leichte Korrekturen an den der SPD teils mühsam abgetrotzten Verschärfungen zulassen wird.