Schwarz-Rot plant die Rentenreform im Eiltempo
Arbeitsministerium von Andrea Nahles verschickt Entwurf. Mütterrente soll schon im Juli gelten.
Berlin. Die Gewerkschaften gehörten genauso zu den Adressaten wie Arbeitgeber- und Sozialverbände: Rund 60 Lobby-Gruppen bekamen Mittwochabend elektronische Post vom Bundesarbeitsministerium mit der Bitte um Stellungnahme. Inhalt war der Gesetzentwurf zur Rentenreform. Es ist das erste große Projekt der schwarz-roten Koalition, das die zuständige Ministerin Andrea Nahles (SPD) im Eiltempo auf den Weg gebracht hat. Der Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, sieht vor:
Vom 1. Juli an sollen Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, für ihre Erziehungsleistung statt einen zwei Rentenpunkte gutgeschrieben bekommen. Ihre Rente erhöht sich um 28 Euro im Westen und 26 Euro im Osten. Eine Gleichstellung mit den Müttern jüngerer Kinder wird nicht erreicht. Letztere bekommen pro Kind insgesamt drei Jahre an Kindererziehungszeiten anerkannt. Bei den älteren Müttern sind es dann zwei. Unter die Neuregelung fallen auch 9,5 Millionen Mütter, die schon Rente beziehen. Um den Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten, werden ihre Bezüge nicht neu berechnet. Stattdessen gibt es den Rentenpunkt pauschal oben drauf. Zu erwarten ist, dass das Geld am Jahresende ausgezahlt wird, rückwirkend zum 1. Juli.
Schon heute darf mit 65 abschlagsfrei in den Ruhestand gehen, wer 45 Versicherungsjahre vorweisen kann. Für jeden Monat vor dem regulären Renteneintritt werden die Bezüge um 0,3 Prozent gekürzt. Nun ist vorgesehen, dass man bei 45 Versicherungsjahren schon mit 63 abschlagsfrei Rente beziehen kann. Das gilt aber nur für Rentenneuzugänge ab 1. Juli 2014 und auch nur zeitlich befristet. Für ab dem Jahr 1953 Geborene steigt die Altersgrenze mit jedem Jahrgang um zwei Monate. Wer zum Beispiel 1955 geboren ist, kann also erst mit 63 Jahren und acht Monaten abschlagsfrei in Rente gehen. Für ab 1964 Geborene liegt das abschlagsfreie Renteneintrittsalter dann wieder bei 65 Jahren. Weiterer Haken: Bei den 45 Versicherungsjahren werden zwar auch Zeiten der Arbeitslosigkeit eingerechnet, aber nur vergleichsweise kurze, für die es Arbeitslosengeld I gab, nicht bei Hartz IV.
Personen, die aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand gehen, werden bei der Rente künftig so gestellt, als hätten sie bis 62 gearbeitet und dabei durchschnittlich verdient. Das sind zwei Jahre mehr als nach geltendem Recht. Ihre monatlichen Bezüge steigen im Schnitt um etwa 40 Euro. Waren die vier Jahre vor Renteneintritt schon von Krankheit geprägt, schlagen sie nicht mehr zu Buche.
Die Mehrausgaben für die Rentenkasse summieren sich auf mehr 60 Milliarden Euro bis 2020. 2014 werden 4,4 Milliarden Euro fällig. Um das finanzieren zu können, muss der Bundeszuschuss an die Rentenkasse von 2019 an um bis zu zwei Milliarden Euro steigen. Zunächst wird die Reform durch eine Abschmelzung der Rentenrücklagen erkauft. Außerdem soll der Rentenbeitragssatz bei 18,9 Prozent stabil bleiben. Ohne die Reform wären bis 2017 nur 18,3 Prozent möglich gewesen.