Sicherungsverwahrung: Darüber wird gestritten
Analyse: Wegen eines Urteils kommen einige gefährliche Straftäter auf freien Fuß. Die Politik muss reagieren.
Hamburg. Das Thema Sicherungsverwahrung für gefährliche Gewalt- undSexualstraftäter erhitzt seit Wochen die Gemüter. Losgetreten wurde dieDiskussion durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs fürMenschenrechte in Straßburg.
Das Gericht gab der Beschwerde eines Sicherungsverwahrten statt, der1986 zu höchstens zehn Jahren Sicherungsverwahrung im Anschluss anseine Haftstrafe verurteilt worden war. Das entsprach damals derGesetzeslage. Diese wurde dann aber 1998 dahingehend geändert, dass dieSicherungsverwahrung für bereits einsitzende Täter nachträglichverlängert werden konnte. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofsverstößt das gegen ein zentrales Rechtsstaatsprinzip: Eine Strafe darfnicht durch Gesetzesänderung rückwirkend verschärft werden.
Unmittelbare Rechtswirkung entfalten Urteile des EuropäischenGerichtshofs für Menschenrechte nur für die Kläger selbst. DeutscheGerichte kommen aber nicht umhin, sie als allgemeine rechtlicheLeitlinien zu berücksichtigten, da das Gericht der Hüter derEuropäischen Menschenrechtskonvention ist, die für Deutschland bindendist. Es gibt rund 80 vergleichbare Fälle in Deutschland. 15 derStraftäter setzten bereits ihre Freilassung durch.
Einerseits geht es um die Frage, wie die Behörden in Folge desUrteils mit den Sicherungsverwahrten umgehen, die nun freikommen. Hierspringt notfalls die Polizei in die Bresche und überwacht sie. Um dieszu erleichtern, ist in den vom Bundeskabinett jüngst beschlossenenReform-Eckpunkten auch der Einsatz von elektronischen Ortungsgeräten -sogenannten Fußfesseln - angedacht.
Die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ins Gesprächgebrachte Idee geschlossener Heime ist als Dauerlösung angelegt. DerVorschlag nimmt die grundsätzliche Kritik des Straßburger Gerichts ander mangelnden Unterscheidbarkeit von Haft und Sicherungsverwahrungauf. Die Hoffnung: Wenn Betroffene in speziellen Einrichtungen mitbesonderen Behandlungsmöglichkeiten einsitzen, entfällt die Basis fürKlagen. Laut Bundesjustizministerium kommen solche Heime für nunentlassene "Eilfälle" aber nicht mehr in Frage. Diese könnten sichhöchstens freiwillig dorthin begeben.